Zu Grabe getragen:Schwermut, Blues und gute Wünsche

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Der Abschied vom Gasthaus-Mayr-Wirt ist eine melancholisch-humorige Feier. 70 Stammtische und 25 Vereine sind mit der Schließung des Traditionsgasthauses ihrer Heimat beraubt. Die Stammgäste hoffen auf eine Wiederauferstehung

Von Antonia Steiger, rding

Es wurde Fassung bewahrt am allerletzten Abend in der Bauernstunde im Gasthaus Mayr-Wirt, zumindest während des offiziellen Teils. Doch schon kurz nachdem Hermann Kraus im Pfarrersgewand die letzten Worte über das Dahinscheiden des bedeutenden Leichnams gesprochen hatte, lagen sich die ersten schon in den Armen, erhoben das Glas und tranken zum letzten oder vorletzten Mal auf das beliebteste aller Erdinger Gasthäuser, das seinen Betrieb zum 1. Januar einstellen musste. Der Mayr-Wirt ist im Besitz der Stadt Erding. Das Rathaus hatte die Schließung angeordnet mit Hinweis auf die schwächelnde Bausubstanz und den lückenhaften Brandschutz.

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(Foto: Renate Schmidt)

Wirt Andi Mayr bekam von der königlich-privilegierten Feuerschützengesellschaft ein Lied gesungen,...

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(Foto: Renate Schmidt)

...von der Klarinettenmusi Faltermaier mehr als eins gespielt...

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(Foto: Renate Schmidt)

...und wurde noch einmal zum Stadtturm im Gespräch mit dem Schönen Turm, Josef Hochholzer (links).

Aber war das wirklich nötig? Der Wirt ist seit Jahrzehnten bei der Feuerwehr, der kann einen Brand doch selbst löschen. Solche und andere klugen Ratschläge dieses Kalibers verteilten ungefragt die beiden Stadttürme in einem Turmgespräch. Und das gönnten sich die Freunde der Stadt Erding noch einmal, sie waren der Ausrichter des Kehraus am 30. September: Das Turmgespräch war jahrzehntelang unverzichtbarer Bestandteil des Erdinger Faschings. Das ist nun vorbei - es gibt keinen Turmschieberball mehr im Mayr-Wirt und damit auch kein Turmgespräch.

Altbürgermeister Karl-Heinz Bauernfeind hielt für Andi Mayr eine Rede. (Foto: Renate Schmidt)

Um das Maximum an Schwermut zu erzeugen, wurden sämtliche Türme für dieses Ereignis aktiviert, nicht nur die jüngeren, der Wirt Andi Mayr und Josef Hochholzer, sondern auch ihre drei Vorgänger Karl-Heinz Bauernfeind, Michael Heindl und Hermann Kraus. Die älteren Türme stellten Betrachtungen zur Zukunft der 70 Stammtische und 25 Vereine an, die mit der Schließung des Traditionsgasthauses ihrer Heimat beraubt wurden. Sie wurden verteilt auf den gesamten Landkreis: die Schafkopfer in die Schafzucht von Rainer Mehringer, die Alpinisten zum Dunschebergerl, den Alt-Bürgermeister-Stammtisch nach Altham und der Seemannschor zum Baggerweiher. Die jüngeren Türme machten sich Gedanken über die Zukunft des Areals an der Haager Straße. Was wird daraus? Ein Innenstadtfiliale der Therme, ein Heliport für den Flughafen, eine Erlebnisbrauerei, ein zehnstöckiges Einkaufszentrum, ein zwanzigstöckiges Parkhaus oder ein dreißigstöckiges Hotel? Man weiß es nicht, denn: "Die haben ja noch nicht einmal einen Plan!"

Die letzten Halben sind gezapft: Wirt Andi Mayr, freundlich wie eh und je. (Foto: Renate Schmidt)

Adressiert war dieser sanfte Spott an den Erdinger OB Max Gotz (CSU), der diese letzten Turmgespräche im Mayr-Wirt aber nicht gesehen hatte. Er verpasste darüber hinaus einen Kurzauftritt des Seemannschors mit seinem Mayr-Wirt-Blues, eine Ansprache des Stammgastes Karl-Heinz Bauernfeind und ein Abschiedslied der Königlich-Privilegierte Feuerschützengesellschaft Erding, die über Jahrzehnte hinweg im Schützenstüberl im Keller des Mayr-Wirt ihr harmloses Dasein als bewaffneter Stammtisch gefristet haben. Sie bekommen nun Asyl in der Pizzeria Il Mundo in Kehr. Bis zum Schluss habe er gehofft, sagte Hermann Kraus in seiner Grabrede, dass der OB zur Tür hereinkäme und sagt: "Alles nur ein Spaß. Der Mayr-Wirt wird nicht abgerissen." So ist es aber nicht gekommen. Am Ende hieß es Abschied nehmen vom Kachelofen, von Stühlen und Tischen, von den holzvertäfelten Wänden und den Weingläsern und vom Wirt Andi Mayr, der auch diesen Abend in unerschütterlicher Freundlichkeit bewältigte. Der Wunsch seiner Gäste ist unmissverständlich: Erding braucht bald wieder ein bayerisches Wirtshaus, in dem dann auch die Bilder von Hiasl Maier zu sehen sein sollen.

© SZ vom 02.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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