Wohnen in Erding:"Extremes Unterangebot"

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Ein Trend, der sich im kommenden Jahr fortsetzen dürfte: In Erding gibt es zu wenige Wohnungen, daher bleiben die Preise hoch. Die Mietpreisbremse bewirkt noch keinen spürbaren Effekt

Von Jan-Hendrik Maier, Erding

Mehr als 400 Menschen sind allein in diesem Jahr nach Erding gezogen. Die Suche nach einer dauerhaften Bleibe kann sich dabei als echte Herausforderung erweisen, denn die Situation auf dem städtischen Wohnungsmarkt ist 2015 nach wie vor angespannt geblieben. Es steht nur wenig freier Wohnraum zur Verfügung und die Preise dafür sind hoch - so lassen sich die Angaben aus der Immobilienbranche zusammenfassen. Als Gegenmaßnahme hatte die bayerische Staatsregierung zum 1. August die Mietpreisbremse in der Kreisstadt eingeführt. Aus Sicht der befragten Makler ist die Suche dadurch jedoch nicht leichter geworden.

Karl Kainz, seit fast 30 Jahren im Erdinger Immobiliengeschäft, schätzt es als "schwierig" ein, "bezahlbaren Wohnraum" zu finden, da kaum Objekte zur Verfügung stünden. Daran würde auch die Mietpreisbremse nichts ändern können. Für erforderlich hält Kainz diese im Übrigen nicht. "Wir sind bei den Quadratmeterpreisen auf einem Niveau, das der Markt auch alleine regulieren könnte." Er versteht das Gesetz vielmehr als Anhaltspunkt für "faire" Mieten und die Chance auf zufriedene Mieter: "Wir wollen Preise, die sich am Mietspiegel orientieren, und bremsen daher auch einen Vermieter, der zu viel verlangen möchte." Sein Kollege Florian Brandhuber verweist exemplarisch auf die wenigen Angebote, die auf den gängigen Internetportalen zu finden sind. Einen weiteren Grund für die hohen Kosten sieht er im Bevölkerungszuwachs als Folge der Nähe zum Flughafen und der Attraktivität der Kreisstadt. Es seien vor allem "Gutverdiener und gut qualifizierte Menschen", die in die Region zögen und somit die Preise steigen ließen. Er beobachte in Gesprächen mit Vermietern, dass die "tatsächlich mögliche Miete" (siehe Kasten) deren Vorstellungen oft unterschreite. Oliver Griesenbrock, Prokurist der Immobilienfirma Sperr und Zellner, ist skeptisch, ob die Mietpreisbremse in der Praxis ihr Ziel erreiche. Er verweist auf die Pflicht der Makler, die Preise auf Grundlage des Mietspiegels zu berechnen und den Kunden darüber aufzuklären, der letztlich aber das Risiko bei einer höheren Miete trage. Zudem sei die Umsetzung nicht immer einfach: "Der Mietspiegel ist von 2014 und damit fast schon wieder veraltet. Auch die Bestandsmieten sind ja oftmals höher." Griesenbrock stellt fest, dass mit Einführung der Mietpreisbremse und des Bestellerprinzips insgesamt die Zahl der Angebote zurückgegangen ist. "Wir haben deutlich mehr Interessenten für ein Objekt als früher." Martin Sperr bedauert es als Bauträger, dass in Erding keine freien Flächen zum Erwerb stünden. "Wir hoffen, dass sich das bald ändert. Wenn es mehr Angebote geben würde, könnten auch die hohen Mietpreise vielleicht wieder sinken." Von der Lage profitieren würden Kommunen im Umland wie Bockhorn, Neufinsing oder Dorfen.

Fachanwalt Frederic Hack schreibt der Mietpreisbremse vor allem eine Signalwirkung auf potenzielle Vermieter zu: "Ich denke, sie werden bei Neuverträgen in Kenntnis des Gesetzes handeln und bei der Festlegung der Miete auf die Höhe achten." Hack geht jedoch nicht davon aus, dass es künftig zu einem deutlichen Anstieg der Rechtsstreitigkeiten oder gar zu "Massenverfahren" wie bei den Betriebskosten kommt, da sich Mieter und Vermieter im Vorfeld häufig außergerichtlich einigten oder gar nicht klagen wollten. In seiner Kanzlei hatte Hack, der zudem Mitglieder des Mietervereines Erding und Umgebung berät, bisher keinen Fall als Folge der Mietpreisbremse. "Ich warte mit Spannung darauf, dass es mal soweit kommt, aber auch dann würde davon wohl eine Signalwirkung ausgehen", sagt Hack. Generell stellt der Anwalt einen deutlichen Anstieg bei den Klagen aufgrund von Eigenbedarf oder Mieterhöhungen fest. Als eine Ursache nennt er das "extreme Unterangebot" auf dem Erdinger Wohnungsmarkt. Das Preisniveau sei zwar hoch, "richtige Schweinereien mit Miethaien und Probleme wie die Gentrifizierung von Vierteln" gibt es aus seiner Sicht allerdings nicht.

"Erding ist eine schöne Stadt, die leider keine Wohnungen hat", sagt Eva Kolenda. Die Vorsitzende des Erdinger Mietervereins sieht einen "klaren Bedarf" an sozialem Wohnungsbau, noch vor Objekten für den Mittelstand und Eigentumswohnungen. Kolenda verweist auf das Modell der sozialen Bodennutzung (Sobon). Dabei werden Bauherren verpflichtet, einen Teil der Wohnflächen zu Preisen unterhalb des Marktniveaus zur Verfügung zu stellen. Der Erdinger Stadtrat hatte Sobon im Sommer genehmigt. Kolenda geht davon aus, dass sich die Tendenz steigender Mieten und kaum vorhandener Neubauten im kommenden Jahr fortsetzten wird.

© SZ vom 28.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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