Wo internationale Gäste Ferien machen:Ohne Mist und Stallgeruch

Lesezeit: 3 min

Zehmerhof- Geschäftsführerin Ingrid Renner mit Gästen aus Saudi-Arabien (Foto: Renate Schmidt)

Sie kommen aus Russland, aus Amerika und dem Nahen Osten: Landhöfe in Erding werden zum Ziel für Urlauber aus aller Welt. Wo früher Kühe gemolken wurden, gibt es jetzt Gesundheitsseminare

Von Regina Bluhme, Erding

Es ist schon etwas spät am Morgen, als Hammad Alsulami im hellgelben Kaftan im Speiseraum erscheint. Eigentlich gibt es Frühstück nur bis 10 Uhr, aber das ist kein Problem. Der Tisch ist noch gedeckt, das Buffet mit zwölf selbst gekochten Marmeladen wartet und Ingrid Renner begrüßt den Gast mit einem fröhlichen "Guten Morgen". Dann erkundigt sie sich auf Englisch, wie es ihm denn hier gefalle. "Sehr, sehr gut", antwortet Alsulami. Und überhaupt: Alles hier sei wunderbar, so grün und so ruhig.

Hammad Alsulami kommt aus Saudi-Arabien und verbringt mit seiner Familie gerade ein paar Ferientage in Deutschland. Allerdings nicht in einem Hotel aus dem Reiseführer in Berlin oder am Bodensee. Sondern in Walpertskirchen auf dem Zehmerhof. Dort gibt es kein Vieh mehr, keine Misthaufen oder Traktoren. Dafür wirbt Familie Renner mit erholsamer Natur und familiärer Atmosphäre sowie der Nähe zur Therme, zum Flughafen und zur Landeshauptstadt München. "Landurlaub" heißt der neue Trend. Das Konzept kommt an, auch international.

Dort, wo in Walpertskirchen einst die Viehställe und Hallen des elterlichen jahrhundertealten Dreiseithofs standen, wurde 2003 das Gästehaus mit 20 Zimmern eröffnet, mit W-Lan und Fernseher in allen Räumen. Noch erinnern ein paar restaurierte Möbelstücke vor dem Frühstücksraum an den alten Hof, "ansonsten wollten wir uns so zeigen, wie wir sind, dass wir mit der Zeit gehen", erklärt Ingrid Renner. Also kein Zirbelstübchen und kein alpenländischer Balkon, sondern viel helles Holz und Blumenmuster an den Vorhängen, "moderner Landstil", sagt sie. So hat sich die Familie ein zweites Standbein geschaffen - neben dem Hühnerbetrieb, den Renners Mann drei Kilometer weiter betreibt.

Wie Miriam Bartels vom Landesverband Bauernhof- und Landurlaub Bayern informiert, gibt es bayernweit ungefähr 5000 Anbieter für den Urlaub auf dem Bauernhof, 1600 davon sind im Verband organisiert. Höfe im Erdinger Landkreis fallen beim Landesverband in die Rubrik "Münchner Umland" und dort sind laut Bartels 22 Betriebe aufgeführt. Diese haben sich zur Anbietergemeinschaft Bauern- und Landhöfe im Münchner Umland zusammengetan. Dem Prospekt zufolge sind elf Betriebe als "aktiv bewirtschaftete Höfe" gekennzeichnet, der Rest als "ehemalige Hofstelle ohne Nutztiere".

"Urlaub auf dem Bauernhof" ohne Kühe und Misthaufen - das habe durchaus Zukunft, sagt Miriam Bartels. Die Landhöfe im Landkreis Erding werden ihr zufolge gerne von Paaren und Familien gebucht, die am Wochenende schnell mal raus auf Land wollen. "Dabei ist die Therme Erding ein absoluter Magnet." Durch die Nähe zur Großstadt München sind die Höfe im Landkreis auch für Urlauber interessant, die "Land und Kultur" verbinden wollen. Aber auch Manager übernachten nach einem anstrengenden Tag gerne in einem Landhof im Grünen, so Bartels. "Es gibt Urlauber, die sind auch froh, dass es keinen Stallgeruch gibt oder die vielen lästige Fliegen", sagt Ingrid Renner.

München zieht einfach

Gerne wird von den Anbietern auch die Nähe zur Allianz-Arena betont, die sei ein großer Anziehungspunkt, sagt Ingrid Renner. Hammad Alsulami zählt beim Frühstück auf, was auf dem Tagesprogramm der arabischen Gäste steht: "Allianz-Arena, Olympiastadion, Englischer Garten, BMW-Museum."

Grundsätzlich würde die Zahl der ausländischen Gäste zunehmen, berichtet Miriam Bartels. Etwa zehn Prozent der Zugriffe auf die Internetseiten des Verbandes kommen aus dem Ausland, von Interessenten aus Russland, Amerika, Frankreich und den Niederlanden. Mittlerweile hat der Verband auch eine englischsprachige Seite mit Gästebewertungen und Routenplaner. Die Werbebotschaft: "Genießen Sie unberührte Natur."

Längst gibt es auch für die Urlauber auf dem Bauernhof den Trend zur Spezialisierung. Der Gast kann bayernweit auswählen zwischen Bio-, Fischer-, Reiter- oder Wellnesshöfen. Als Alternative zum Kühemelken und Heugabeln bietet der Fornerhof bei Dorfen einen Brotbacktag, organisiert der Kramerhof bei Taufkirchen Kräuterausflüge und wirbt das Gästehaus Daimer bei Dorfen mit einem Gesundheitsseminar.

Der Zehmerhof in Walpertskirchen wiederum kann mit den Eiern vom eigenen Hühnerhof punkten sowie mit Tante Josi und ihren selbst gekochten Marmeladen und Kuchen. Über zwölf Sorten kocht die Tante jedes Jahr, berichtet Ingrid Rrenner. "Zurzeit steht Kirsch-Schoko-Mandel bei den Gästen hoch im Kurs". Beim Zehmerhof packt die ganze Familie mit an, auch ihre Eltern und ab und zu die beiden Kinder. "Wir sind immer vor Ort und erreichbar", sagt Renner. "In einem Hotel ist es eher anonym. Bei uns sind die Gäste irgendwie mittendrin."

Mittlerweile haben sie einige Stammgäste, "und die empfehlen uns dann weiter", sagt Renner. Es würde dann schon mal vorkommen, dass ein neuer Gast an der Rezeption steht und gleich als erstes fragt, wie es der Tante Josi geht. Auch international hat sich das Gästehaus aus Walpertskirchen offensichtlich herumgesprochen. Der Zehmerhof erwartet Anfang August schon wieder die nächsten Gäste aus Saudi-Arabien.

© SZ vom 01.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: