Waldkauz, Blindschleiche, Keiljungfer:Höhlenbrüter und Nahrungsspezialisten

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Tiere und Pflanzen des Jahres 2017: Etliche Arten kommen auch im Landkreis Erding vor, aber ihre Vielfalt ist meist dort bedroht, wo der Mensch die Landschaft intensiv bewirtschaftet

Von Thomas Daller, Landkreis

Umweltschützer und Verbände haben für 2017 wieder die Tiere und Pflanzen des Jahres gekürt. Etliche Arten kommen auch im Landkreis Erding vor wie die Fichte als Baum des Jahres; der Fisch des Jahres 2017 ist hingegen ein Küstenbewohner, die Flunder, die man in heimischen Süßwassergewässern nicht finden wird. Welche Arten es im Landkreis gibt und wie sich die Bestände entwickeln, darüber hat die SZ Erding mit Anton Euringer, dem Leiter der Unteren Naturschutzbehörde, gesprochen sowie mit Andreas Hartl, dem renommierten Naturfotografen aus Dorfen.

Um den Vogel des Jahres zu sehen, braucht man schon etwas Glück, rufen hören kann man ihn aber des Öfteren. Es handelt sich um den Waldkauz, den der NABU stellvertretend für alle Eulenarten gewählt hat. Mit ihm soll für den Erhalt alter Bäume im Wald oder in Parks geworben werden, weil der Waldkauz als Höhlenbrüter darauf angewiesen ist. Der Waldkauz ist auch im Landkreis Erding die häufigste Eulenart. In den bewaldeten Bereichen kommt er fast flächendeckend vor, weiß Anton Euringer. Größere Verbreitungslücken gebe es lediglich im waldarmen westlichen Landkreisbereich, im Erdinger Moos. Die Untere Naturschutzbehörde geht von stabilen Beständen aus, die tendenziell sogar zunehmen, weil die Wälder artenreicher und naturnaher werden. Für Interessierte, die auch einmal einen Waldkauz in freier Natur sehen wollen, hat Andreas Hartl einen Tipp: Die noch nicht flügge gewordenen Jungvögel, die man beim Waldkauz Ästlinge nennt, sobald sie die Bruthöhle verlassen haben, kann man oft sogar in Parks beobachten: "Die haben beim Menschen kein Problem mit dem Störempfinden."

Das Kriechtier des Jahres 2017 ist die Blindschleiche. Sie ist weder blind noch eine Schlange, sondern eine beinlose Echse mit gespaltener Zunge. Der Name kommt vom althochdeutschen Wort "plint" für blendend und bezieht sich auf den glänzenden Körper. Sie gilt als eine der genügsamsten Reptilienarten, die sich in vielen Landschaftstypen zurecht findet. Zwar bevorzugt sie Heide- und Moorgebiete sowie Laubwälder, sie fühlt sich aber auch auf Wiesen und brachen, in Parks und naturnahen Gärten wohl. Durch ihre versteckte Lebensweise können Blindschleichen lange Zeit einen Lebensraum besiedeln, ohne dass der Mensch sie jemals bemerkt. So sind selbst in Gärten Hecken, Steine, Laubhaufen oder sogar Komposthaufen geeignete Lebensquartiere. "Für die Gärten sind Blindschleichen wertvoll", sagte Hartl, weil sie viele Schnecken im Jungstadium fressen, bevor sich diese über die Salatpflanzen hermachen können. Allerdings droht ihnen in den Hausgärten Gefahr durch Katzen oder Hühner. Dann können Blindschleichen, wie auch andere Eidechsenarten, ihren Schwanz abwerfen, der zuckend die Katze ablenkt, während die Blindschleiche versucht, zu verschwinden. Der Schwanz wächst dann nach, allerdings etwas kürzer. Neben diesen Fressfeinden bedroht auch der Mensch mit seiner intensiven Land- und Forstwirtschaft die Lebensräume der Blindschleichen. Auch dort, wo es Straßen gibt, stehen ihre Überlebenschancen schlecht, weil sie relativ langsam sind.

Der Schmetterling des Jahres 2017 ist die Goldene Acht. In der amtlichen Artenschutzkartierung für den Landkreis Erding werden neun konkrete Vorkommens-Schwerpunkte genannt. Dies ist insbesondere das Naturschutzgebiet Freisinger Buckl in der Gemeinde Eitting, der Tuffhügel bei Wörth und die Magerrasenflächen im Flughafen München. Sogar das Referenzbild im Fachbuch "Tagfalter in Bayern" stammt von den Flughafenwiesen im nördlichen Bebauungsband. Die Goldene Acht ist jedoch, wie fast alle Schmetterlinge, ein Nahrungsspezialist. Die Raupen benötigen die jeweils passenden Futterpflanzen. Bei der Goldenen Acht sind das Klee und Luzerne. Das ist auch der Grund für den starken Rückgang dieser Schmetterlingsart, da diese Ackerpflanzen immer mehr vom Mais verdrängt werden. Auch der Verlust von extensiv genutzten Wiesenflächen spielt dabei eine Rolle.

Das Kriechtier des Jahres 2017 ist die Blindschleiche. Der Name kommt vom althochdeutschen Wort "plint" für blendend und bezieht sich auf den glänzenden Körper. (Foto: Andreas Hartl/oh)

Die Libelle des Jahres ist die Gemeinde Keiljungfer. Diese Libelle aus der Familie der Flussjungfern ist vergleichsweise selten, denn sie benötigt sehr saubere und sandige Fließgewässer. In solchen sandigen Böden wachsen die Larven der Libellen heran. Im Landkreis Erding liegt der Verbreitungsschwerpunkt an der Mittleren Isar bei Gaden und zwar an den von Süden kommenden Zuflüssen wie Dorfen, Goldbach und Sempt. Einzelnachweise gibt es auch bei schnellfließenden breiteren Gräben des Erdinger Mooses im Westteil des Landkreises.

Der Klatschmohn ist die Blume des Jahres. Diese wärmeliebende Pflanze kam erst mit dem Getreide in der Jungsteinzeit in unsere Region. Er steht für viele andere bedrohte Ackerwildpflanzen und damit stellvertretend für den Verlust der bunten Vielfalt im Landbau. Bis vor 50 Jahren färbten sich auch noch die Getreideäcker im Landkreis Erding zur Mohnblüte rot - wegen mangelnder Saatgutreinigung und Pflanzenschutzmaßnahmen. "Die Samen von damals sind bis heute keimfähig und deshalb können frei gewordene Flächen sofort wieder besiedelt werden, wenn die Samen an die Oberfläche kommen", sagte Euringer. Diese Lichtkeimer sehe man häufig an neuen Straßenböschungen, auf Schuttplätzen oder auf Ackerbrachen. Insgesamt nimmt jedoch die Artenvielfalt dort ab, wo Menschen die Landschaft intensiver bewirtschaften. Das geht aus einer aktuellen Studie der Technischen Universität München hervor. Das gilt auch für den Klatschmohn.

Noch relativ weit verbreitet ist allerdings das Gänseblümchen, das als Heilpflanze des Jahres 2017 gilt. Diese Pflänzchen sind erst in vorgeschichtlicher Zeit bei uns eingewandert. Als licht- und nährstoffhungrige Rosettenpflanze profitiert sie von der "Erfindung" der Rasenfläche. Bevorzugte Standorte sind nährstoffreicher und feuchter Untergrund. Diese Art ist in Rasenflächen in Gärten und Parks und auch in Viehweifen allgegenwärtig. Allerdings nur, wenn ein regelmäßiger Schnitt erfolgt, da die Gräser und Kräuter sonst die niedrig wachsenden Gänseblümchen überwuchern. Dementgegen wirkt neuerdings der Trend zum "unkrautfreien" Rasen mit ausschließlich Rasengräsern.

Spinne des Jahres ist die Spaltenkreuzspinne. Sie ist in erster Linie ein Bewohner lichter, älterer Laub- und Mischwälder, aber auch von Holzschuppen und Hauswänden. Die Tiere sind überwiegend nachtaktiv, bei Tageslicht verstecken sie sich hinter Baumrinden oder in Rindenspalten, an Gebäuden oder in Mauerritzen. Die Verbreitungsdichte dieser Spinnen in der freien Natur ist dort am höchsten, wo sich noch alte naturnahe Waldbestände befinden. Das ist nach Angaben der Unteren Naturschutzbehörde insbesondere in den Isarauen der Fall, um Isen, östlich von Wartenberg und bei Grünbach. In Gebäuden sind dies bevorzugt Stallungen und Gebäude mit Rissen, wo sie in Ruhe gelassen werden. Der weit verbreitete Hygiene- und Ordnungssinn stehe dem natürlich entgegen und führe zu immer weniger "Hausspinnen".

Und schließlich gibt es noch einen Pilz des Jahres, dabei handelt es sich um das Judasohr. Er ist bräunlich, leicht zu übersehen und bevorzugt feuchte Landschaftsteile in Fluss- oder Bachauen. Dort besiedelt er bevorzugt den Schwarzen Holunder und davon altersschwache, kranke oder abgestorbene Holzteile. Durch die Frostbeständigkeit findet man ihn in der Winter- und Frühlingszeit bei feuchter Witterung, überall dort, wo der nährstoffliebende Holunder vorkommt. Im Heckengebüsch bei Wartenberg ebenso wie in Feldgehölzen des Hügellandes. Ein Verbreitungsschwerpunkt ist das Erdinger Moos. Dort tritt der Holunder mit seinem Pilz zum Teil massenhaft in Niedermoorflächen auf.

© SZ vom 14.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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