Vor Gericht :Duell auf der Landstraße

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Ein Autofahrer regt sich derart über einen Radfahrer auf, dass es zum Zusammenstoß kommt. Der Richter stellt das Verfahren ein, weil beide Seiten schuld an der Eskalation sind

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Radfahrer und Autofahrer sind im Straßenverkehr oft verschiedener Meinung. Das endet meist in ein paar beleidigenden Gesten oder Worten, nicht so am 17. März bei Walpertskirchen. An dem Tag eskalierte ein Disput dermaßen, dass der Radler verletzt im Straßengraben landete. Der Autofahrer, der ihn dorthin geschubst haben soll, musste sich deshalb wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr und vorsätzlicher Körperverletzung am Amtsgericht verantworten. Verurteilt wurde er aber dann doch nicht. Das Verfahren wurde gegen eine Geldauflage von 900 Euro eingestellt. Richter Andreas Wassermann war zu der Überzeugung gelangt, dass beide Kontrahenten ein "erhebliches Mitverschulden" hatten.

Wie die Staatsanwaltschaft ermittelt hatte, war der Radfahrer an diesem Tag im März gegen 15 Uhr auf der Kreisstraße ED 14 in Richtung Erding unterwegs, aber nicht auf dem Radweg, sondern auf der Straße. Das hatte den Angeklagten dermaßen aufgeregt, dass er den Radler aus dem Auto heraus seine Meinung sagte und ihm empfahl, er solle gefälligst auf den Radweg fahren. Der Radler vertrat eine andere Meinung, noch zwei Mal belehrte der Angeklagte den Radfahrer, ehe er vorausfuhr, in einem Feldweg parkte und ausstieg. Wie "Meister Proper", so der Radfahrer vor Gericht, habe sich der Autofahrer mit verschränkten Armen auf dem Mittelstreifen gestellt. Als er dann links an ihm vorbei fahren wollte, habe der Angeklagte ihn mit beiden Händen am Oberkörper gestoßen, und er sei in den Straßengraben gestürzt.

Gestützt hatte sich die Staatswaltschaft dabei auf einen unbeteiligten Zeugen, der den Vorfall beobachtet hatte. Bei der Polizei hatte er am Tag danach zu Protokoll gegeben, dass er gesehen habe, wie der Autofahrer mit beiden Händen den Radler in den Graben gestoßen habe. Auf Nachfrage von Amtsrichter Wassermann, was er denn exakt gesehen habe und von wo aus, sagte der Zeuge, dass der Radler "in den Graben geschmissen" wurde. Das habe er genau gesehen - aus einer Entfernung von rund 500 Metern. Auf wiederholtes Nachfragen des Richters, er solle nur sagen, was er wirklich gesehen habe und nicht nur vermute, sagte der Kraftfahrer aus, dass die Hände des Angeklagten in den Lenker des Fahrrades gegriffen hätten. Was seiner Aussage bei der Polizei widersprach. Da hatte er gesagt, der Angeklagte habe den Radler am Oberkörper attackiert. Ein Griff ins Rad sei aber ein "eklatanter Unterschied" zu einem körperlichen Angriff, sagte Wassermann. Und zum Angeklagten: "Entweder haben Sie bei der Polizei oder jetzt vor Gericht gelogen."

Auch der Radfahrer blieb dabei, dass ihn der Angeklagte in den Graben geschubst habe. Als er den Mann mit verschränkten Armen vor ihm auf der Straße gesehen habe, habe er ihm zugerufen, dass er nicht wegen ihm anhalten werde. Er habe an ihm vorbei fahren wollen, aber auf seiner Höhe sei er dann "skrupellos" mit dem Rad in den Graben geschubst worden, wobei er sich Schürfwunden und eine gestauchte Hand zugezogen habe und eine Woche krankgeschrieben worden sei.

Als ihn Richter Wassermann fragte, wie weit er zu dem Zeitpunkt vom Angeklagten weg gewesen sei, sagte der Radler: rund dreißig Zentimeter. Daraufhin fragte der Verteidiger des Angeklagten direkt: "Kann es sein, dass Sie mit Absicht so nah an ihm vorbei gefahren sind, um ihn zu provozieren?" Schließlich hätte er ja die ganze linke Straßenseite gehabt, um auszuweichen. Der Angeklagte blieb bis zum Schluss bei seiner Aussage, dass er den Radler überhaupt nicht berührt habe. Der sei vielmehr selber schuld gewesen, weil er die Vorderradbremse benutzt habe und deshalb gestürzt sei.

Richter Wassermann kam an dem Punkt zur Überzeugung, "dass sich beide nicht zu 100 Prozent richtig verhalten haben". Er regte deshalb an, das Verfahren gegen eine Geldauflage von 900 Euro einzustellen. Damit waren Staatsanwalt und der Angeklagte einverstanden. Der Strafbefehl hatte noch eine Geldstrafe von 2400 Euro gefordert.

© SZ vom 18.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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