Vor dem Amtsgericht:Streit wegen nächtlicher Ruhestörung eskaliert

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Auseinandersetzung in einem Container für Asylbewerber: Der eine hat Hunger, der andere will schlafen

Von Thomas Daller, Erding

Viele Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen für längere Zeit auf engem Raum zusammen - das birgt Konfliktpotenzial. In der Asylunterkunft hinter dem Korbinian-Aigner-Gymnasium ist am 2. Juni dieses Jahres so ein Konflikt eskaliert. Ein Afghane soll einen Mann aus dem Senegal wegen nächtlicher Ruhestörung mit einem Stuhl verprügelt haben. Das Verfahren wegen gefährlicher Körperverletzung wurde am Amtsgericht Erding nun gegen eine Geldauflage eingestellt. Eine Verurteilung hätte für den Angeklagten auch massive ausländerrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen können.

Die beiden hatten unterschiedliche Tagesabläufe: Der 25-jährige Afghane Ahmed A. jobbte nach eigenen Angaben tagsüber in der Therme Erding, der 30-jährige Senegalese Osman S. konnte am Vormittag ausschlafen und besuchte nachmittags eine Schule. Zwei Nächte hintereinander habe er nicht schlafen können, beklagte sich der Afghane vor Gericht, weil S. immer nachts gekocht oder laute Musik gehört habe. In der dritten Nacht ist er dann ausgerastet. Obwohl um 23 Uhr in den Räumen Nachtruhe herrschen soll, sei S. aufgestanden, habe Licht gemacht und in der Küche Reis gekocht. A. sagte, er habe mit S. gestritten: "Geh nach draußen, wir wollen schlafen." Dabei sei das Essen "auf den Boden gefallen", und dann habe er sich mit dem Stuhl "verteidigt", weil ihn S. mit der Pfanne bedroht habe.

S. hingegen sagte aus, A. habe ihm die Pfanne aus der Hand geschlagen, so dass der Reis und die Pfanne am Boden gelandet seien. Dann habe A. einen Stuhl an der Lehne gepackt und damit auf seinen Kopf eingeschlagen. Er habe die Arme hochgerissen, um seinen Kopf vor den Schlägen zu schützen, und sei von einem Schlag auf den Unterarm verletzt worden, der so heftig gewesen sei, dass ein Stuhlbein abgebrochen sei. Dann habe er noch einen zweiten Schlag mit dem anderen Stuhlbein gegen den Unterschenkel erhalten. Anschließend habe er fliehen können und die Polizei gerufen.

Deren Ermittlungen gestalteten sich schwierig. Die Stockbetten in dem Raum waren mit Decken verhängt, und die Mitbewohner gaben auf Nachfrage an, entweder bereits geschlafen oder nichts gesehen zu haben. Der zerbrochene Stuhl, die herumliegende Pfanne, der verstreute Reis sowie leicht blutende Schürfwunden am Arm und am Bein des Opfers deckten sich jedoch mit seiner Schilderung. S. wollte jedoch gar keine Strafanzeige erstatten. Er habe die Polizei nur gerufen, damit er von dem aufgebrachten A. nicht noch einmal angegriffen werde, sagte er. Er wurde erst im Erdinger Krankenhaus versorgt und dann für diese Nacht in einer Obdachlosenunterkunft untergebracht, um eine weitere Eskalation zu vermeiden. Er musste dann noch eine Aussage bei der Polizei machen, woraufhin die Staatsanwaltschaft Anklage wegen gefährlicher Körperverletzung gegen A. erhob. Für die beiden Kontrahenten war die Sache längst ausgestanden, sie hatten sich wieder ausgesöhnt. Weil aber A. einen Strafbefehl erhielt über 120 Tagessätze, erhob er Einspruch. Sein Rechtsanwalt hatte ihn über die damit verbundenen ausländerrechtlichen Konsequenzen aufgeklärt.

Sowohl Richter Wassermann als auch die Staatsanwaltschaft drückten angesichts seines möglicherweise bedrohten Aufenthaltsstatus ein Auge zu. Das Verfahren wurde gegen eine Geldauflage in Höhe von 600 Euro eingestellt, die an "Ärzte ohne Grenzen" geht. Dass die Schürfwunden nicht sehr groß waren und schnell verheilt sind und S. keinerlei Interesse an einer Strafverfolgung hatte, spielte dabei ebenfalls eine Rolle.

© SZ vom 05.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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