Vor dem Amtsgericht:Eine Sache der Familienehre

Lesezeit: 3 min

Türkischer Ehemann verletzt einen Landsmann mit einem schweren Schraubenschlüssel am Kopf, weil er ihm eine Beziehung mit seiner Frau unterstellt. Er kommt mit einer Geldstrafe davon

Von Thomas Daller, Erding/Taufkirchen

Was auf dem Parkplatz des Bezirkskrankenhauses Taufkirchen am 20. Juli vergangenen Jahres passiert ist, hätte in einer Tragödie enden können: Ein 25-jähriger Türke aus Erding ging mit einem großen 24er Schraubenschlüssel auf einen Landsmann aus Vilsbiburg los, von dem er fälschlicherweise glaubte, er habe die Ehre seiner Frau verletzt. Den ersten Schlag konnte das Opfer noch mit der Hand abwehren, wobei er bleibende Schäden an einem Finger davon trug. Der zweite Schlag traf die Stirn knapp über dem Auge. Blutüberströmt konnte er auf das Gelände des Bezirkskrankenhauses fliehen, verfolgt von seinem Peiniger, der zu weiteren Schlägen ausholte. Erst als die Polizei alarmiert wurde, brach er den Angriff ab und floh. Der Täter wurde am Amtsgericht Erding nun zu einer Geldstrafe in Höhe von 1200 Euro verurteilt.

Das 48-jährige Opfer und die 21-jährige Ehefrau des Täters kannten sich aus dem Bezirkskrankenhaus Taufkirchen, wo sich ihre Aufenthaltsdauer überschnitten hatte. Sie hatte einen Nervenzusammenbruch und weihte den 48-Jährigen in ein Geheimnis ein: Vor ihrer Ehe hatte sie anscheinend eine Affäre mit einem gewissen Mesut in der Türkei, von der ihr Mann nichts wissen dürfe. Mesut setze sie unter Druck, weil sie in seinen Augen sein Leben zerstört habe und drohe damit, ihren Mann zu informieren. Der Vilsbiburger, der von Zeugen als Mensch mit einem ausgeprägten Helfersyndrom beschrieben wurde, versprach, sich mit Mesut telefonisch in Verbindung zu setzen; was er auch tat. Allerdings fruchtete das Gespräch mit Mesut nichts, der sann weiterhin auf Rache.

Die 21-Jährige bat den 48-Jährigen nach ihrem Klinikaufenthalt um weitere Hilfe: Zuerst pumpte sie ihn um 300 Euro an wegen einer unbezahlten Rechnung, von der ihr Mann nichts wissen dürfe. Sie bekam das Geld. Dann brauchte sie 1000 Euro für ein Flugticket mit Hotelaufenthalt: Ihre Mutter und ihre Schwester würden in die Türkei fliegen, sie könne mitkommen und bei dieser Gelegenheit wolle sie versuchen, mit Mesut reinen Tisch zu machen. Obwohl der 48-Jährige das für keine gute Idee hielt, streckte er ihr auch diese 1000 Euro vor. Als die 21-Jährige dann in Antalya eintraf, erhielt der Vilsbiburger zwei SMS-Nachrichten: Eine von der 21-Jährigen, die ihm mitteilte, sie werde ihm das Geld nicht zurückzahlen. Und eine zweite von Mesut: Er habe erfahren, dass sich die 21-Jährige in der Türkei befinde. Er werde sich diese Frau "vornehmen", die sein Leben kaputt gemacht habe. Sie werde nicht mehr nach Deutschland zurückkehren.

In Sorge um die 21-Jährige und verärgert wegen des Verlusts seines Geldes setzte sich der Vilsbiburger mit ihrem Ehemann in Verbindung. Per Telefon teilte er ihm in groben Zügen den Sachverhalt mit und man vereinbarte, sich am Parkplatz des Bezirkskrankenhauses in Taufkirchen zu treffen. Der 48-Jährige war arglos, weil das Gespräch freundschaftlich verlaufen war. Doch der Ehemann hatte offenbar nicht begriffen, worum es ging. Allein die Tatsache, dass seine Frau und der Anrufer in irgendeiner Beziehung standen, reichten für ihn aus, um rot zu sehen. Er informierte seinen Schwiegervater und die beiden fuhren los. In Taufkirchen nahm der Schwiegervater einen Spanngurt und versteckte ihn in der Hand. Der Ehemann bewaffnete sich mit dem Schraubenschlüssel, den er ebenfalls verdeckt trug. Sie gingen zum Parkplatz und winkten ihr Opfer zu sich. Der 48-Jährige wurde erst auf den letzten Metern stutzig, als er den Spanngurt sah: "Die waren nicht zum Reden gekommen", sagte er vor Gericht. "Die wollten aus dem ganzen Drama eine Sache der Familienehre machen." Bevor er fliehen konnte, bekam er bereits die ersten beiden Schläge auf Hand und Kopf ab. Er wurde nach dem Vorfall ins Krankenhaus gebracht, wo er von der Kriminalpolizei vernommen wurde. Dabei ging es auch um die Frage, ob es sich um ein versuchtes Tötungsdelikt gehandelt habe. Anzeige erstattete der Verletzte nicht, weil er Angst vor den beiden hatte. Der Schwiegervater schürte diese Angst noch, indem er ihm Todesdrohungen aufs Handy schickte.

Zum Prozess kam es nur, weil die Staatsanwaltschaft dem Täter einen Strafbefehl über eine Geldstrafe von 120 Tagessätzen schickte. Der Angeklagte wollte, dass sie auf 90 Tagessätze reduziert werde, damit sie nicht in seinem polizeilichen Führungszeugnis auftauche. Staatsanwalt Dr. Grimm lehnte nach der Zeugenanhörung rundweg ab: Der Angeklagte könne froh sein, dass er nicht zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Aber über die Höhe des Tagessatzes ließ das Gericht mit sich reden: Weil der Angeklagte vom Arbeitslosengeld seiner Frau lebt, wurde die Höhe auf zehn Euro reduziert.

© SZ vom 04.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: