VHS-Geschäftsführer:"Wir sind Dienstleister für's ganze Volk"

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Von Rom nach Erding, diesen Schritt ging der 34-Jährige Claus Lüdenbach, neuer Geschäftsführer der Volkshochschule Erding, bewusst. (Foto: Renate Schmidt)

Die Volkshochschule Erding hat einen neuen Geschäftsführer. Claus Lüdenbach will die politische Bildung stärken. Mit Diskussionsrunden, renommierten Rednern und einem Programm, das jeder mitgestalten kann

Interview von Sophia Neukirchner, Erding

Vor zwei Wochen hat das neue Semester an der Volkshochschule (VHS) Erding begonnen und seitdem hat die Einrichtung auch einen neuen Geschäftsführer: Claus Lüdenbach. Der 34-jährige stammt aus dem Rheinland, ist gelernter Zimmermann und Verwaltungs- und Geisteswissenschaftler.

SZ: Seit Oktober wurden Sie von Ihrer Vorgängerin, Gertrud Scheffelmann, auf die Geschäftsführung vorbe reitet. Was haben Sie in diesen Monaten gemacht?

Claus Lüdenbach: Ich habe die Zeit genutzt, die VHS-Welt kennenzulernen, auch in anderen Städten. Da ich neben der Geschäftsführung für den Fachbereich Gesellschaft zuständig bin, habe ich auch Veranstaltungen geplant.

Vorher waren Sie für das Goethe-Institut in Rom tätig. War der Schritt von der Millionenstadt nach Erding nicht schwer?

Nein, ich habe mich bewusst dafür entschieden. Ich hatte in Rom einen unbefristeten Vertrag, habe das sehr genossen und auch viel gelernt. Ich hätte nicht gehen müssen. Aber die Stelle in Erding hat mich doch sehr gereizt. Bei meiner Arbeit am Goethe-Institut bin ich viel in ganz Italien gereist. Da habe ich gemerkt, dass man in kleineren Städten oft mehr erreichen kann. Da gibt es nicht die große Konkurrenz an professionellen Angeboten, wie in einer Großstadt. Außerdem ist man näher an den Menschen dran.

Was erleichtert die Kultur- und Bildungsarbeit am Standort Erding sonst?

Die Nähe zu München erlaubt es, sehr gute Referenten zu bekommen, das ist sehr wichtig, denn wir haben nicht das Geld, um Redner etwa aus Berlin einfliegen lassen. Dabei ist es gerade in meinem Fachbereich wichtig, fachlich exzellente Referenten zu gewinnen, die einschlägige Expertise in ihrem Forschungsbereich haben. Grundsätzlich haben wir in Erding wirklich sehr gute Dozenten. Dennoch möchte ich zunehmend mit renommierten Forschungseinrichtungen und Künstlern von außerhalb zusammenarbeiten.

Wie kann so eine Kooperation aussehen?

Im März wird es eine Ausstellung über "Diktatur und Demokratie im Zeitalter der Extreme" geben. Den Eröffnungsvortrag am 7. März wird die stellvertretende Leiterin des Münchener Instituts für Zeitgeschichte halten.

Ist es schwer auf aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen zu reagieren?

Das ist nicht einfach. Programmplanung benötigt ja eine gewisse Vorlaufzeit. Ich habe heute zum Beispiel einen Amerikanistikprofessor aus Leipzig da, der in unserem Haus im Rahmen des Studium Generale versucht, in vier Sitzungen Grundwissen über Amerika zu vermitteln. Das trifft den Nerv der Zeit, die Vorträge sind ausgebucht. Darum habe ich mich natürlich schon vor der Trump-Wahl gekümmert. Es bringt nichts, das ein Jahr später anzubieten. Wer nie riskiert, ist in der Kultur- und Bildungspolitik falsch, man muss auch neue Wege gehen. Nicht nur inhaltlich müssen wir uns stetig anpassen, sondern auch neue Formate probieren - mehr Abendvorträge und Diskussionsrunden.

Am Weltfrauentag, am 8. März, lassen sie Schüler über die Stellung der Frau in der Gesellschaft debattieren. Was hat das mit politischer Bildung zu tun?

Debattieren ist das Kernelement einer Demokratie: Es gibt ja in der Politik nicht die eine Wahrheit, sondern die kristallisiert sich ja heraus im Diskurs, so funktioniert Demokratie. Bei der Trump-Wahl jetzt oder bei Pegida stellen wir jedoch mit Sorge fest, dass es oft gar nicht mehr zu einem Diskurs kommt. Dabei führt der rationale Austausch von Argumenten immer zu einem Erkenntnisgewinn - wenn das dann auch noch Schüler machen, immunisiert das hoffentlich gegen einen dummen, platten Populismus. Grundsätzlich ist politische Bildung ein schwieriges Pflaster. Dennoch ist es mir und der VHS ein großes Anliegen, diesen Bereich zu stärken. Die Volkshochschule ist schließlich ein Ort der Kommunikation.

Was macht die politische Bildung zu einem so schwierigen Pflaster?

Weil wir vor allem diejenigen ins Boot kriegen wollen, die der Demokratie skeptisch gegenüberstehen. Die zu gewinnen, ist nicht leicht, was mir auch die anderen Volkshochschulen im bayerischen Landesverband sagen. Da geht es viel um das richtige Angebot und zielgruppengerechte Öffentlichkeitsarbeit, aber auch viele weitere Dinge sind zu bedenken. Zum Beispiel würde man eher für einen Sprachabend zwölf Euro ausgeben, als für eine Abendveranstaltung der politischen Bildung. Ich möchte die Menschen auch dadurch erreichen, dass ich sie an der Planung teilhaben lasse. Ich möchte nicht von oben die Programme bestimmen.

Wie stellen Sie sich das konkret vor?

In meinen Fachbereich werde ich mit den Teilnehmern genau überlegen, was wir eigentlich wollen. Ich gebe Themen vor, sehe mich aber auch als Moderator und Ermöglicher von Veranstaltungen. Ich möchte, dass die Teilnehmenden Teil der Volkshochschule werden, nicht nur als Empfänger von Botschaften, sondern auch als Gestalter.

Wie erklären Sie die stetig steigenden Teilnehmerzahlen?

Ich glaube, das liegt daran, dass wir uns mit viel Hingabe und sehr persönlich um die Leute kümmern: Wir sind hier mehr als ein Ort, an dem man nur seinen Sprachkurs besucht und dann nach Hause geht. Das Wichtigste ist doch, dass man mit anderen Menschen in Kontakt tritt, zusammen lernt und zusammen Sport macht und das passiert leider immer weniger.

Wer nutzt die Volkshochschule?

Deutlich mehr Frauen als Männer. Zurzeit dann sehr viele Menschen, die Deutschkurse besuchen. Ansonsten scheinen es mehr Menschen zu sein, die bereits einen Bildungsabschluss haben. Aber ich möchte, dass wir noch mehr ein Querschnitt der Bevölkerung werden. Ich verstehe die Volkshochschule wirklich als Dienstleister für das ganze Volk. Damit wir nicht nur den Professor, sondern auch den Handwerker erreichen, müssen wir breit aufgestellt sein. Und das nicht nur inhaltlich, sondern auch räumlich, damit wir kein Club nur für Erding werden. Es gibt zwei Sachen, die mir wirklich wichtig sind: dass wir fürs ganze Volk da sind und für den ganzen Landkreis. Schließlich werden wir von allen Gemeinden finanziert.

Ihre Vorgängerin war 33 Jahre an der VHS Erding tätig. Wie lange wollen Sie in Erding bleiben?

Ich trete die Stelle mit viel Enthusiasmus an, weil ich wirklich glaube, dass man im Landkreis Erding viel erreichen kann. Ich hätte mich nicht von einem unbefristeten Vertrag in Rom wegbeworben, wenn ich hier nur ein paar Jahre bleiben möchte. Ich möchte den Prozess hier an der VHS begleiten - und das über Jahre hinweg.

© SZ vom 16.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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