VG München winkt ab:Schicht im Schacht

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Ehepaar verklagt Steinhöring wegen Überflutungsgefahr

Von Jonas Wengert, Steinhöring/München

"Gute Vorbereitung ist alles", dachte sich wohl der Kläger im Vorfeld seiner Verhandlung am Verwaltungsgericht München. Unterlagen mit Haftnotizen, Karten, Luftbilder und sogar ein eigens angefertigtes mehrteiliges Rohrleitungsmodell: All das präsentierte er Richter Erwin Bauer, Vorsitzender der Zweiten Kammer, und füllte so dessen Tisch nach und nach mit seinen vermeintlichen Beweisstücken.

Wegen einer angeblichen Überflutungsgefahr ihres Grundstücks in Abersdorf hatten der Senior und seine - im Gericht nicht anwesende - Ehefrau die Gemeinde Steinhöring verklagt. Konkret geht es um den Abersdorfer Graben, ein Zufluss des Brunnenbachs. "Die Verrohrung des Gewässers ist ein Baupfusch", schimpfte der Kläger. Anstatt der 1100 Liter, die pro Sekunde durch die Rohre laufen sollten, sei es in Wahrheit weniger als ein Viertel der Menge. Deshalb sei es 1997 und 2011 zu Überschwemmungen gekommen. Wie sich während der Verhandlung herausstellte, wird zwischen den Nachbarn, aber auch mit der Gemeinde seit gut 20 Jahren um dieses Thema gestritten.

"Bei dem Hochwasser 2011 war die halbe Gemeinde überflutet", entgegnete Bürgermeister Alois Hofstetter. Er bestritt nicht, dass der Rohrdurchfluss teilweise unterdimensioniert sei, dieser Umstand habe jedoch keine Auswirkungen auf das Grundstück des Klägerpaares. Eine Einschätzung, die Richter Bauer teilte: "Ich mache seit zwölf Jahren Wasserrecht. Bei starken Regenfällen macht Ihnen zuerst das Grundwasser Probleme, dadurch platzt aber kein Rohr." Eine Erklärung, die den Rentner offensichtlich in keiner Weise beruhigte. Stattdessen demonstrierte er einen anderen Vorschlag - anhand seines Rohrmodells: An einer Stelle der hangabwärts verlaufenden Leitung ist ein senkrechtes Rohr eingezogen, in welches das Gewässer bei Hochwasser steigt. "Wenn man dort die Verrohrung oberhalb des eigentlichen Wasserlaufs öffnen würde, wäre ein Überlauf geschaffen", so der Kläger. Die betroffene Fläche des Nachbarn werde ohnehin nicht genutzt. "Ob genutzt oder nicht, spielt keine Rolle", entgegnete das Gericht. Bei dieser Idee wäre Privatbesitz betroffen, der vorher zu Gemeinwohlzwecken enteignet werden müsste. Abgesehen davon bedeute "Überlauf" nicht, das Wasser "irgendwo überlaufen zu lassen". Für eine solche Maßnahme müssten spezielle Becken angelegt werden.

Trotz all der Unterlagen und Dokumente gelang es dem Kläger nicht, dem Gericht seine Sorge um das eigene Grundstück logisch darzulegen. Laut Richter Bauer ist die einzige Gefahr, dass der an die Verrohrung angeschlossene Schacht im Fall der Fälle voll- oder überlaufen könnte. Eben jener Schacht sei jedoch drei Grundstücke weit entfernt. "Selbst wenn sich Ihre Befürchtungen bewahrheiten sollten, beträfe das maximal Ihre Nachbarn", sagte der Vorsitzende und wurde grundsätzlich: Am Verwaltungsgericht müsse der Kläger die persönliche Verletzung eigener Rechten geltend machen - eine Erklärung, die er im Laufe der Verhandlung mehrmals wiederholte und die in dem Hinweis gipfelte: "Sie können nicht den Anwalt der Allgemeinheit spielen."

Nach mehr als einer Stunde Diskussion am Richtertisch schien dem Rentner zu dämmern, dass er mit seiner Klage wohl keinen Erfolg haben werde: "Herr Vorsitzender, ich flehe Sie an." Resigniert schraubte er kurz darauf noch während des Gesprächs seine Rohrkonstruktion auseinander, sammelte seine sonstigen Mitbringsel zusammen und setzte sich sichtlich entnervt an seinen Platz. In einer Sache waren sich Gemeinde- und Klägerseite indes einig: Die komplette Verrohrung auszutauschen, um so mehr Kapazität zu schaffen, wäre unverhältnismäßig. "Wenn mir nur eine Lösung einfallen würde", sagte der Richter, sichtlich um einen zumindest minimalen Kompromiss bemüht.

Bürgermeister Hofstetter willigte am Ende ein, noch einmal das Gespräch mit den Nachbarn zu suchen, um zu einer einvernehmlichen Lösung zu gelangen. Durch das Zugeständnis ermöglichte er es dem Gericht, die Kosten des Verfahrens als gegeneinander aufgehoben zu erklären. Damit spare sich das Rentnerpaar, trotz der Einstellung des Verfahrens, immerhin eine ordentlich Summe Geld, so Bauer. Er fügte jedoch in Richtung des Klägers unmissverständlich hinzu: "Das haben Sie einzig dem Wohlwollen Ihres Bürgermeisters zu verdanken."

© SZ vom 07.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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