Verstärkung an der Berufsschule:Zufriedene Quereinsteiger

Lesezeit: 3 min

Stefan Voggenreiter und Cornelia Bubl haben Lehramt für Gymnasium studiert. Jetzt unterrichten sie an der Berufsschule und sind hoch zufrieden. (Foto: Renate Schmidt)

In einem Sonderprogramm haben zwei junge Lehrer vom Gymnasium auf Berufsschule umgesattelt. Sie haben ihre Entscheidung nicht bereut. Das Kollegium könnte weitere Verstärkung brauchen

Von Regina Bluhme, Erding

Dieter Link, Leiter der Berufsschule Erding, hat sich vor kurzem auf die Suche nach einem Lehrer für Metalltechnik gemacht - keine einzige Bewerbung ging bei ihm ein. Schon länger fehlen Lehrkräfte in der beruflichen Bildung, auch in Erding. Für zwei angehende Gymnasiallehrer wiederum war der Umstieg auf die Berufsschule Erding "ein Glücksfall", wie Cornelia Bubl und Stefan Voggenreiter betonen. Die beiden haben im Rahmen eines Sonderprogramms umgesattelt und sind hochzufrieden mit ihrer Entscheidung.

Vom Gymnasiallehrer zum Berufsschullehrer, ganz so einfach ist die Sache nicht. Dieser Quereinstieg sei nur möglich gewesen über eine Sondermaßnahme des Kultusministeriums, sagt Link. Eine solche gab es ab Februar 2016, als an den Berufsschulen die Berufsintegrationsklassen (BIK) für Flüchtlinge eingerichtet wurden. In zwischenzeitig bis zu 13 Klassen wurden in Erding schulpflichtigen 15 bis 21-Jährigen die deutsche Sprache vermittelt, aber auch das Gesellschafts- und Rechtssystem. Cornelia Bubl ist seit Anfang 2016 dabei. Sie hatte damals gerade das Referendariat für Deutsch und Sozialkunde für das Gymnasiallehramt beendet, "und es war klar, dass ich keine Perspektive hatte", erzählt Bubl. Der Schnitt für eine Übernahme lag bei 0,9. Als Lehrerin wollte sie auf jeden Fall arbeiten und so habe sie sich für die Berufsschule entschieden. Dazu kam ein nicht zu verachtender Anreiz, nämlich die Aussicht auf eine zügige Verbeamtung. Und tatsächlich ist die 34-Jährige seit kurzem verbeamtet, "das wäre am Gymnasium in der kurzen Zeit niemals möglich gewesen", weiß sie. Auch Stefan Voggenreiter hat seinen Entschluss nicht bereut. Er hatte bereits den Abschluss für Englisch und Geschichte fürs Gymnasium in der Tasche, und ist über das Sonderprogramm 2017 an die Berufsschule Erding gekommen. Auch ihn lockte der Beamtenstatus, verrät der 36-Jährige.

Der Einstieg in die BIK-Klassen an der Berufsschule war ein Sprung ins kalte Wasser. " Für die BIK-Klassen gab es keine Bücher, keinen Lehrplan", sagte Bubl. "Wir mussten alles aus dem Boden stampfen", fügt Voggenreiter hinzu. Die Regierung habe hier " wirklich etwas geschafft und auch Geld bereit gestellt für eine Infrastruktur". Zusätzlich wurden für die Flüchtlingsklassen an der Berufsschule dann mit Zeitverträgen auch Mitarbeiter ohne Lehramtsstudium eingestellt, die einen Abschluss in Germanistik oder Deutsch als Fremdsprache hatten.

Der Anfang sei eine "wahnsinnig spannende Zeit" gewesen, erinnert sich Bubl. Aber auch anstrengend. Denn neben dem Unterricht mussten die jungen Gymnasiallehrer ein halbes Jahr lang "ein kleines Referendariat" dranhängen, Seminare in Didaktik oder Schulrecht an Beruflichen Schulen besuchen. Dazu gab es benoteten Unterricht sowie mündliche Prüfungen.

Cornelia Bubl sagt über ihre Entscheidung, auf die Berufsschule zu wechseln: "Es war ein Glücksfall." Die Arbeit mit den Flüchtlingen sei sehr bereichernd, es sei schön zu sehen, welche Fortschritte ihr Deutsch mache, "man ist ganz nah am Schüler dran, das ist auch der Grund, warum ich Lehrer geworden bin", erklärt Stefan Voggenreiter. Aktuell gibt es sechs Flüchtlingsklassen an der Berufsschule. Cornelia Bubl unterrichtet mittlerweile stundenweise in Regelklassen.

Wann wieder einmal eine Sondermaßnahme anläuft, weiß Link nicht. Mehr Lehrer könnte er schon brauchen. "Den Fachunterricht können wir komplett abdecken", betont er. Bei der "Unterrichtsversorgung", so Link, liege die Berufsschule Erding bei 90 Prozent, bayerischer Durchschnitt. "Eine Katastrophe" seien die fehlenden zehn Prozent nicht, aber es sei auch nicht gut, wenn zum Beispiel Ethik oder Sport wegfallen müssen, sagt Link.

Der schnurgerade Weg, um Berufschullehrer zu werden, geht so: Einmal über das Studium Lehramt an beruflichen Schulen, zu denen auch FOS, BOS oder Wirtschaftsschulen gehören. Dann gibt es noch den Weg über die Meisterausbildung. Wer seinen Meister gemacht und zusätzlich eine einjährige pädagogische Ausbildung absolviert hat, kann an der Berufsschule als Fachlehrer unterrichten. Darüberhinaus sind nebenberufliche Lehrkräfte tätig. So unterrichten in Erding zum Beispiel stundenweise eine Zahnärztin, ein Zimmerer oder eine Friseurmeisterin Auszubildende in ihrem jeweiligen Fachgebiet.

Dass sich künftig mehr für das Lehramt an beruflichen Schulen interessieren, kann Dieter Link nur hoffen. Er habe kürzlich mit Kollegen aus Vilshofen und Passau gesprochen, diese hätten alle Unterrichtsstunden besetzen können. "Dort verdient der Lehrer genauso viel wie in Erding, zahlt aber nur ein Drittel Miete".

© SZ vom 03.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: