Verschuldet in Erding:Hohe Mieten, geringes Einkommen

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Das Neubaugebiet am Erdbeerfeld in Erding: Alleinerziehende tun sich schwer, günstig zu wohnen. (Foto: Renate Schmidt)

Das Leben im Landkreis Erding wird immer teurer - das merken auch die Schuldnerberater der Caritas. Vor allem für Alleinerziehende und Arbeitslose ist die Gefahr groß, in eine Schuldenspirale zu geraten

Von Mathias Weber, Erding

Überraschend jung sind sie. Mehr als jeder zehnte derjenigen, die im vergangenen Jahr zur Caritas im Landkreis Erding kamen und sich wegen eines Schuldenproblems beraten ließen, waren jünger als 30 Jahre. "Generell kann man sagen, dass in 2016 wieder viele junge Menschen von Verschuldung betroffen waren", hieß es kürzlich bei der Caritas, als die Mitarbeiter der Schuldnerberatung die Entwicklung im vergangenen Jahr vorstellten. Nach wie vor ist aber der Großteil der Klienten der Schuldenberatung der Caritas - 355 waren es insgesamt - zwischen 30 und 50 Jahre alt.

Drei Hauptgründe, sagte Schuldnerberater Ralf Lohrberg, gebe es, warum sich Menschen im Landkreis verschulden. An erster Stelle: Viele können sich und ihre Familien mit dem Einkommen nicht mehr versorgen. Grund sind die hohen Lebenshaltungskosten und dem damit verbundenen kaum vorhandenen preiswerten Wohnraum. Berater Lohrberg rechnet vor: "Auch wenn Sie zu zweit 2000 Euro netto verdienen, dann kann es bei uns in der Region eng werden." Wenn man nicht direkt am Wohnort arbeitet, zum Beispiel am Flughafen, werde es schnell knapp, wenn man zwei Autos benötigt und vielleicht sogar 1000 Euro Miete zahlen muss. Die Folge: Man übernimmt sich finanziell, Dinge wie ein neuer Fernseher werden dann auf Pump gekauft. Hinzu kommt, dass es für alleinerziehende Frauen der Caritas zufolge zur wenige Teilzeitarbeitsplätze gebe und viele Vollzeitstellen "extrem unterbezahlt" seien, was, so hieß es, "immer normaler" werde. Geld fehlt dann so und so: Trotz Arbeitsstelle sind viele Menschen auf Arbeitslosengeld II angewiesen.

Immer mehr anfällig für Schulden seien zudem geschiedene Männer - wegen der Unterhaltszahlungen. Die Zahl der Alleinstehenden, die in die Schuldenspirale gerutscht sind, sei in den letzten Jahren stetig gestiegen. Unterhaltsverpflichtungen gegenüber der geschiedenen Ehefrau und den gemeinsamen Kindern ziehen Einkommenspfändungen bis unter das gesetzliche Existenzniveau nach sich und führten oft dazu, dass die eigenen laufenden Kosten wie Miete und Strom nicht mehr bezahlt werden könnten.

Jeder dritte Schulden-Klient der Caritas ist allerdings komplett ohne Arbeit; die Arbeitslosigkeit gilt daher auch als eine der Hauptursachen für den Einstieg in die Schuldenspirale. Das, so die Caritas, habe sich in den letzten fünf Jahren deutlich verändert: Bis dahin lag der Hauptgrund für Schulden in der veränderten Familiensituation, etwa bei Trennung oder Geburt eines Kindes. "Auffällig häufig", hieß es, handle es sich bei den Arbeitslosen um Alleinstehende ab Mitte 40, "die als Langzeitarbeitslose auch in Zeiten des Aufschwungs kaum eine Chance erhalten, wieder am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen."

Meistens wird die Schuldenberatung erst dann aufgesucht, wenn schon eine Lohn- oder Kontopfändung ansteht oder eine Räumungsklage. Dann packt das Team der Caritas an: Dann sind "existenzsichernde Maßnahmen" und eine Krisenintervention nötig. An Entschuldung sei in vielen Fällen im vergangenen Jahr gar nicht zu denken gewesen, weil die Einkommenssituation keinerlei Spielraum für Rückzahlungen ließ. Im Mittelpunkt der Beratung stehen dann ganz existenzielle Dinge, etwa der Erhalt der Wohnung, die Inanspruchnahme staatlicher Hilfen und die Hilfe zum "wirtschaftlichen Haushalten".

Diese "zeitnahe Hilfe", hieß es bei der Caritas, also zum Beispiel die Abwehr von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen, habe stetig zugenommen. Rückfälle zu vermeiden und langfristig aus der Schuldenspirale wieder heraus zu kommen, das sei im vergangenen Jahr kaum noch möglich gewesen. Das merkt auch Caritas-Mitarbeiterin Jessica Sossau-Thiede: Sie berät in Fällen, in denen die finanzielle Situation so schlecht geworden ist, dass es zu einer privaten Insolvenz kommen muss - 75 Männer und Freuen waren es im vergangenen Jahr. Drei bis vier Monate, sagt sie, müsse man aber mittlerweile schon warten, um überhaupt einen Termin bei ihr zu bekommen.

© SZ vom 05.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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