Vernissage am Montag:Der Experimentierfreudige

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Rudolf L. Reiter lässt in einer Doppelausstellung im Frauenkircherl und im Museum Erding sein künstlerisches Lebenswerk Revue passieren

Matthias Vogel

Die Installation "Pax Vobiscum" beherrscht den Raum. Drei mannshohe Bilder hängen nebeneinander an der Stirnwand des Gewölbes im Erdinger Frauenkircherl, davor zeigt eine Skulptur den aufgebahrten Körper Jesus Christi. Auf dem mittleren Gemälde soll die Kreuzigung angedeutet sein. Das sagte Gisela Hesse am Montagabend jedenfalls bei der Vernissage zur Doppelausstellung von Erdings bekanntestem Künstler: Rudolf L. Reiter.

Auf den Leinwänden links und rechts will die Direktorin des Ismaninger Kallmann-Museums ein Gesicht beziehungsweise eine Fratze erkennen. Sie interpretiert weitere Werke Reiters für die vielen Kunstinteressierten, die gekommen sind. Doch das hätte sie nicht müssen, die Ausschnitte aus dem Lebenswerk des Künstlers selber zu deuten, macht die Ausstellung erst reizvoll. "Bilder einer Epoche - 40 Jahre Malerei", so hat Reiter diesen Teil überschrieben. Der zweite Teil ist im Erdinger Museum zu sehen, er trägt den Titel "Genesis - Apokalypse. Was war - was ist - was kommt".

Das Frauenkircherl bezeichnete Hesse als Reiters "ureigenstes Revier". Damit hat sie freilich Recht. Vor 40 Jahren trug der Erdinger eigenhändig den Schutt aus dem früheren Feuerwehrhaus, um daraus das zu machen, was es heute ist: Ein Forum der Kunst. Kurios ist, dass Reiter seither nie mit einer eigenen Ausstellung dort vertreten war. "Ich war damals anderer Ansicht als die Kulturreferentin, die sagte, Kunst sei nicht beurteilbar." Für Reiter ist sie es schon, nicht jeder, der mal einen Pinsel schwinge, solle seiner Meinung nach auch gleich ausstellen dürfen. "Ein wenig muss man sein Handwerk schon beherrschen."

Gisela Hesse charakterisierte den Künstler Rudolf L. Reiter so: "Vielseitig und nicht festlegbar." So umfasst sein Lebenswerk die informelle Malerei genauso wie Landschaftsbilder oder gegossene Skulpturen. "Manche nehmen ihm das übel, sagen, der Künstler weiß nicht, was er will", sagte Hesse. "Nur komisch, dass das niemand über Picasso gesagt hat, der sich auch nicht festlegen wollte." Eines hätten die Zyklen Reiters übrigens dennoch gemeinsam, so Hesse: Der Grundgedanke sei stets die Reinkarnation.

Als Künstler erlangte Reiter auch weit über die Erdinger Landkreisgrenzen hinaus Bedeutung. Werke von ihm hängen in New York und Paris. In Island hatte man ihm einst eine Professur angeboten. Aktuell pflegt er nach Norwegen gute Kontakte, die skandinavische Landschaft inspirierte ihn zu den neuesten Werken im Frauenkircherl: Der "Hamsun-Zyklus" zeigt das "Nordland". Prädikat: sehr beeindruckend.

Darüber hinaus hat Reiter die Ausstellung im Frauenkircherl auch seiner 2009 verstorbenen Frau gewidmet - ein Porträt von Hilde Reiter prangt zum Beleg von einer Staffelei. Traurig: Genau am Montag hätte das Paar den 41. Hochzeitstag gefeiert, auf einem Zettel an dem Porträt hat Reiter seiner Hilde handschriftlich gratuliert.

Erdings Bürgermeister Max Gotz nannte Reiter, den er schon als Bub gekannt hatte, ob seines internationalen Erfolges den kulturellen Botschafter der Stadt. Seine Experimentierfreude habe vielleicht manchen fragen lassen: Was macht er denn da? Spinnt er jetzt?" Doch kontinuierlich zu akzentuieren, aber auch Neues zu initiieren, das hätte schließlich erst für die Überschriften über Reiters Zyklen gesorgt. Reiter war mit dem Andrang zufrieden: "Hätte nicht gedacht, dass an einem Montag so viele kommen."

Ein geladener Gast aber fehlte: Regierungspräsident Christoph Hillenbrand hatte kurzfristig abgesagt. "Schade", sagte Gotz. "Wir werden ihm aber schreiben, dass er etwas Besonderes verpasst hat und er die Ausstellung wenigstens noch besuchen sollte." Im Frauenkircherl hat er dazu bis 18. September, täglich von 10 bis 12 und 15 bis 19 Uhr noch Zeit; "Genesis - Apokalypse" im Museum ist bis 25. September, täglich von 13 bis 17 Uhr zu sehen.

© SZ vom 07.09.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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