Verhandlung wegen fahrlässiger Tötung:"Wie eine gesengte Sau"

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Ein 25-jähriger Raser verursacht durch rücksichtsloses Überholen den Tod eines 28-jährigen Schreiners. Das Schöffengericht verurteilt ihn zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ohne Bewährung

Von Thomas Daller, Erding

Zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten ohne Bewährung ist ein 25-jähriger Mann aus dem östlichen Landkreis verurteilt worden, der bei einem rücksichtslosen Überholversuch einen tödlichen Unfall verschuldet hat. Der 28-jährige Fahrer des entgegenkommenden Wagens starb noch an der Unfallstelle. Die beiden kannten sich, lebten in der gleichen Gemeinde und die Freundin des Unfalltoten ging mit dem Verurteilten in die Berufsschule.

Der Unfall ereignete sich am 22. April vergangenen Jahres auf der Staatsstraße zwischen Dorfen und Schwindkirchen. Sie ist eng, kurvig, ausgefahren und stellenweise sehr unübersichtlich. Auf der Strecke gilt Höchsttempo 60, weil sie gefährlich und unfallträchtig ist. An dem Freitagabend im April wollte der Angeklagte einen Freund in Waldkraiburg treffen und hatte vorher noch zwei Augustiner an der Shell-Tankstelle in Dorfen getrunken. Kurz vor 21 Uhr fuhr er los und fiel bereits einem Zeugen auf Höhe des HAWE-Werkes auf. Das Auto habe sich rasant von hinten genähert. Der Angeklagte sei so nahe aufgefahren, dass man im Rückspiegel nicht einmal mehr das Kennzeichen erkennen konnte. Nachdem der Angeklagte überholt habe, so der Zeuge, habe er ihn kurz angeblinkt, um ihn vor der gefährlichen Strecke zu warnen. Als Reaktion habe der Angeklagte nur die Nebelschlussleuchte eingeschaltet, um ihn zu blenden.

In einer Distanz von etwa 200 Metern habe er auf das nächste Auto aufgeschlossen. Vor einer uneinsichtigen Kuppe sei er auf die Gegenfahrbahn ausgeschert und habe dann bemerkt, dass ein Wagen entgegenkomme. Der Angeklagte habe den Wagen noch kurz gegengesteuert, und fuhr dem anderen dadurch in die Fahrertür. Es muss ein schrecklicher Unfall gewesen sein: Die Fahrertür wurde abgerissen, ebenso beide Vorderachsen - der 28-jährige Schreiner hatte in diesem Trümmerfeld keine Überlebenschance.

Der Unfallzeuge rief die Rettungsdienste, leistete erste Hilfe, und sicherte zusammen mit seiner Freundin die Unfallstelle ab. Der nahezu unverletzte Angeklagte habe sich nicht um das Opfer gekümmert. Er habe nur gejammert, dass er seinen Firmenwagen zu Schrott gefahren habe. Erst als ihm eine Notärztin mitgeteilt habe, dass das Opfer tot sei, wäre der Angeklagte zusammengebrochen. Kurze Zeit später habe er auf dem Handy dann das Strafmaß für fahrlässige Tötung gegoogelt.

Der Angeklagte sagte vor dem Erdinger Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Björn Schindler aus, er könne sich an den Unfall nicht mehr erinnern. Seit Januar dieses Jahres sei er in psychologischer Betreuung, weil er über den Unfall nicht hinwegkomme. Er habe versucht, den Angehörigen des Toten einen Brief zu schreiben, ihn aber nicht abgeschickt, weil er es "einfach nicht geschafft" habe. Trotz der seelischen Belastung gehe er aber weiterhin einer geregelten Arbeit nach und besuche zudem die Meisterschule. Außerdem sei er kein Raser: "Ich bin nie geblitzt worden, ich habe keine Punkte." Erst vor Gericht entschuldigte er sich bei der Mutter des Verstorbenen, die daraufhin weinend zusammenbrach.

Die 22-jährige Freundin des Opfers hatte den Fahrstil des Angeklagten anders in Erinnerung. Bei der Polizei hatte sie zu Protokoll gegeben, der Angeklagte sei schon immer gefahren "wie eine gesengte Sau". Vor Gericht ergänzte sie, er habe sie vor vier, fünf Jahren öfter von der Berufsschule mit nach Dorfen genommen und sei dabei sehr schnell gefahren und habe riskant überholt.

Die Staatsanwaltschaft forderte ein Jahr und acht Monate Freiheitsstrafe ohne Bewährung und den Entzug des Führerscheins. Die Verteidigung bat das Gericht lediglich um Milde. Das Schöffengericht verurteilte ihn zu einem Jahr und sechs Monaten und kam auch der Forderung nach, ihm den Führerschein zu entziehen. Der Angeklagte habe sich grob verkehrswidrig und rücksichtslos verhalten: "Sie haben völlig sinnlos überholt und deswegen ist ein Mensch tot." Die Verteidigung der Rechtsordnung gebiete es, dass das Urteil vollstreckt werde: "Der Bürger könnte es nicht nachvollziehen, wenn sie mit Bewährung davonkommen."

© SZ vom 30.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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