Verhandlung am Amtsgericht:Frau sticht auf ihren Mann ein

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Asylbewerberin wird zu mehrjähriger Haftstrafe verurteilt

Von Alexander Kappen, Hallbergmoos/Freising

Was genau sich in jener Nacht im Oktober 2016 in der Asylbewerberunterkunft in Hallbergmoos zugetragen hatte, war für Staatsanwalt und Gericht nur schwer zu sagen. In der Verhandlung war kaum nachzuvollziehen, wie es dazu gekommen war, dass eine 30-jährige Frau mit einem Filetiermesser mit 16 Zentimeter langer Klinge auf ihren Mann einstach und diesen lebensbedrohlich verletzte. Aber dass es nur ein Unfall war, wie die Angeklagte und ihr Opfer es in dem Prozess am Amtsgericht darstellten, wollten weder Staatsanwalt noch Richter und seine Schöffen glauben. Das Gericht verurteilte die Frau wegen gefährlicher Körperverletzung zu dreieinhalb Jahren Gefängnis.

Es blieb damit sechs Monate unter dem Antrag des Staatsanwalts, der vier Jahre Haft gefordert hatte. In den Augen des Verteidigers lag jedoch nur eine fahrlässige Körperverletzung vor. Er plädierte für eine Geldstrafe in Höhe von 600 Euro.

Die Angeklagte habe ihren Mann, mit dem sie eine zweijährige Tochter hat, "mit einem wuchtigen Stich verletzt", sagte Richter Manfred Kastlmeier in seiner Urteilsbegründung: "Ihr war bewusst, dass ein solcher Stich geeignet war, lebensgefährliche Verletzungen hervorzurufen - und das hat sie in Kauf genommen." Der 32-jährige Mann erlitt an der linken Brust zwischen der sechsten und siebten Rippe eine elf Millimeter breite und mehrere Zentimeter tiefe Stichwunde. Er verlor 1,4 Liter Blut und musste - nachdem andere Mitbewohner den Krankenwagen gerufen hatten - notoperiert werden. "Dadurch ist er dem Tod noch mal von der Schippe gesprungen", sagte der Richter.

Die Angeklagte hatte ihren Mann, bevor sie beide nach Deutschland kamen, in Libyen geheiratet. Trotz Zeugnisverweigerungsrecht sagte der 32-Jährige in der Verhandlung aus - und tat sich und der Angeklagten damit nicht zwingend einen Gefallen. Die beiden verstrickten sich im Vergleich zu ihren Vernehmungen bei der Polizei in diverse Widersprüche. "Wir haben viele Varianten gehört, aber ich gehe am ehesten davon aus, dass die Aussagen bei der polizeilichen Vernehmung stimmen", sagte der Staatsanwalt. Demnach war es bei einer Geburtstagsparty in dem Asylbewerberheim zwischen der Angeklagten und ihrer Freundin zu einem Streit gekommen. Der 32-Jährige, der offenbar erst später heim gekommen war, wollte seine Frau davon abhalten, mit einem Messer in die Gemeinschaftsküche zu gehen, wo sie die Freundin vermuteten. Dann stach sie auf ihren Mann ein. "Dass es dabei nur um einen Drink ging, glaube ich nicht", so der Staatsanwalt.

Die Angeklagte berichtete, sie habe eine Tasse mit Saft auf einem Tisch deponiert - und ihre Freundin habe diese einem anderen Partygast gegeben. So sei es zum Streit gekommen. Ihr Mann präsentierte die selbe Version. Er habe den Streit schlichten wollen und die Freundin auf Knien um Verzeihung gebeten. Es sei der Teufel im Spiel gewesen, habe er ihr gesagt. Seine betrunkene Frau, die über den Tag mit zwei weiteren Frauen drei Flaschen Wodka getrunken haben will und deshalb bei der Tat 1,5 Promille gehabt haben könnte, habe er nicht wiedererkannt, sagte der 32-Jährige. Sie sei sehr wütend gewesen, er wisse nicht genau warum, "aber wenn der Teufel Überstunden machen will, dann tut er das".

In der Verhandlung sagte er, er habe gar nicht gesehen, dass seine Frau ein Messer in der Hand hatte. Er habe sie von hinten gehalten, damit sie nicht in die Küche gehe. Beim Versuch, sich loszureißen - so Täterin und Opfer unisono -, habe die 30-Jährige sich gedreht und ihren Mann aus Versehen mit dem Messer getroffen. Erst als Mitbewohner das Blut gesehen hätten, habe er überhaupt bemerkt, dass er verletzt worden sei.

Der Richter wertete diese Aussagen als "völligen Unfug", die Angeklagte und ihr Mann "wollten durch eine abgestimmte Aussage vor Gericht alles kaschieren". Laut dem gerichtsmedizinischen Gutachten "muss es sich um einen festen Stich von jemandem gehandelt haben, der einem frontal gegenübersteht". Was der Grund für den Streit gewesen sein mag, sei spekulativ, "aber der Teufel war es jedenfalls nicht".

© SZ vom 19.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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