Verhandlung am Amtsgericht Erding:Bewährung mit großen Bedenken

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Schöffengericht gibt 20-Jährigem die Chance, sein Leben zu ändern. Dass er es tut, daran hat Richter Lefkadtis Zweifel

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Es war wahrlich keine einfache Entscheidung, die sich das Schöffengericht unter Amtsrichter Michael Lefkaditis machte. Fast eine Stunden tagte es hinter verschlossener Türe bis es zu einem Urteil über den 20-jährigen Angeklagten kam. Die Vorwürfe reichten von vielfachem unerlaubten Handel mit Marihuana, unerlaubten Waffenbesitz über Beleidigung, mehrfacher Sachbeschädigung bis hin zur vorsätzlicher Körperverletzung. Für die Staatsanwältin stand nach zwei Verhandlungstagen fest: sie sah relativ wenige Punkte, die für den Angeklagten sprachen, dafür aber erhebliche schädliche Neigungen - sie forderte ein Jahr und zehn Monate Jugendstrafe, ohne Bewährung. Diese gewährte ihm das Schöffengericht, das ein Jahr verhängt, dennoch. Aber nur mit äußersten Bedenken. "Man tut sich wirklich schwer, in irgendeiner Form ihnen Vertrauen entgegen zu bringen aufgrund ihres bisherigen Verhaltens", sagte Lefkaditis bei der Urteilsbegründung.

Für den Richter war der Angeklagte kein Unbekannter. Die Vorfälle reichten bis ins Jahr 2018. Alle handelten vom regen Verkauf von Drogen. Insgesamt mindestens 55 Mal. Mangels Zeugen konnte der Vorwurf des unerlaubten Handelns mit Drogen gegen den Angeklagten am ersten Verhandlungstag nicht näher bestimmt werden. Dies sollte in der Fortsetzung nachgeholt werden. Auch zur Sachbeschädigung sollte noch eine Zeugin aussagen. Der 20-Jährige soll am 3. Januar, nachdem er im Bel Air Club in Erding einen Gast geschlagen und ins Gesicht gespuckt haben soll, einen Holzzaun und die QR-Tafel an der Wand bei den Turmschiebern demoliert haben.

Mit den Zeugen hatte das Gericht aber wenig Glück. Die Frau, die die Sachbeschädigung ebenfalls gesehen haben sollte, sagte vor Gericht aus, dass das nicht der Fall sei. Zwei der möglichen Zeugen zum Thema Drogenverkauf machten bereits vorab von ihrem Zeugnisverweigerungsrechte gebrauch, da die Prozesse gegen sie noch nicht abgeschlossen sind. Ein dritter berief sich in der Verhandlung darauf - zum Erstaunen des Richters, da er noch am Vormittag in der Verhandlung gegen ihn zusagte, dass er aussagen werde. Nur der vierte geladene und bereits rechtskräftig wegen Drogenbesitz verurteilte Jugendlich musste aussagen. Aber er erklärte, dass er sich kaum mehr an was erinnere, da die Vorfälle schon Jahre zurück lägen. Er bestätigte zumindest, dass er selber von dem Angeklagten Marihuana gekauft habe und er gesehen habe, wie er es in kleinen Tütchen am Grünen Markt in Erding verkauft habe.

Für das Schöffengericht reichten alle Aussagen, um den Angeklagten zu verurteilen - wenn auch mit großen Bedenken, was die Bewährung betrifft. "Wir sind aber der Meinung, dass man mit den Bewährungsauflagen doch noch den Versuch unternehmen sollte, sie zur Besinnung zu bringen und zu einem Einlenken, diesen Lebensweg, den sie bisher eingeschlagen haben, vielleicht doch in andere Bahnen zu lenken. Wenn sie so weitermachen, dann kracht das Kartenhaus irgendwann zusammen. Sie sind bald 21, dann kommt das Erwachsenenstrafrecht zur Anwendung. Und dann wird nicht mehr lange Federlesen gemacht, dann gibts Freiheitsstrafen", sagte Lefkaditis.

Während der zwei Jahre Bewährungszeit darf der 20-Jährige nun seinen Job nicht selbst verschuldet verlieren, er muss zehn Beratungsgespräche beim Verein Prop machen, und mindestens ein Jahr Drogenfrei sei. Zudem muss er 500 Euro zu Gunsten der Brücke zahlen. Aufgrund des "unsäglichen Verhaltens einer anderen Person ins Gesicht zu spucken, gibt es noch einen Warnschussarrest von einer Woche", sagte der Amtsrichter, der eh glaubt, dass er die Bewährungszeit nicht durchhält: "Man sieht an diesem Verfahren, dass sie sich in keinster Weise sich irgendwie von dem Drogenumfeld distanzieren". Er sei "mehr so ein Taxierer, der meint, schaugn mer mal, was sie mir machen können". Eine Einsicht in sein Fehlverhalten könne man überhaupt nicht feststellen. "Er ist in seiner eigenen Gedankenwelt verwoben und meint, er sei schlauer als alle anderen. Aber steter Tropfen höhlt den Stein und irgendwann wird es sie einholen. Da kommen sie nicht auf Dauer raus. Peu à peu kommt was dazu, irgendwann reichts halt."

© SZ vom 13.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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