Verbrechen im historischen Erding:Erstochen, erschossen, erschlagen

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Schwere Kriminalität war in der Gegend um Erding vor 150 Jahren keine Seltenheit. Heimatforscher Dietmar Schmitz hat in einem kurzweiligen Vortrag an diese Zeiten erinnert

Von Stefanie Pichlmair, Erding

Es erschien passend, einen Vortrag über Kriminalität im bunkerähnlichen Vortragsraum des Museums Erding abzuhalten. Umgeben von bedrohlich schrägen Betonwänden saßen die zahlreichen Besucher Stuhl an Stuhl, eingeklemmt zwischen Sichtbeton und Werken von Rudolf L. Reiter, und lauschten dem Autor und Heimatforscher Dietmar Schmitz. Er erzählte seinen Zuhörern auf kurzweilige Art Geschichten aus dem kriminellen Erding des 19. Jahrhunderts. Straftaten im historischen Erding, ein Thema, das Zuhörer anzieht. Die Klingel an der Pforte des Museums ringt noch ein paar Mal, als der Vortrag längst begonnen hat, so groß ist der Andrang. Die Letzten müssen stehen. "Kriminalität war ein Phänomen des unteren Milieus", sagt Schmitz. Vor allem Mitglieder der bäuerlichen Schicht wurden häufig Opfer von Überfällen, Körperverletzung und Mord. So auch ein Bauer, der am Heiligabend 1829 mit seinem Wagen die Erdinger Straße entlang fuhr. Ein Räuber zwang ihn anzuhalten und forderte Geld. Der Bauer beteuerte, keines zu haben, woraufhin der Räuber wütend wurde und den Bauer erstach. Später bemerkte die Gendarmerie, dass unter dem Leichnam des Bauers 1500 Gulden lagen. Er hatte sie mit seinem Leben beschützt. "So berichtet es zumindest die Bayerische Landbötin im Dezember 1829", sagt Schmitz.

Meistens ging es damals in Erding zwar weniger blutig zu, jedoch nicht weniger ärgerlich. "Zum Thema Diebstahl lässt sich sagen: Die Leute konnten wirklich alles gebrauchen", sagt Schmitz. Kerzenwachs im Wert von 20 Gulden wurde ebenso gestohlen wie bestickte seidene Damenstrümpfe. Doch die Diebe beschränkten sich nicht auf weltliche Beute, sie machten auch vor dem Klerus keinen Halt: Im September 1871 brach eine Räuberbande in die Eittinger Kirche ein und stahl das Kircheninterieur, inklusive der Ornate. Einige fehlende goldene Becher hätte der Pfarrer noch verschmerzen können, doch ohne Ornat wollte er nicht predigen. Die Messe musste entfallen. "Für den Pfarrer war das eine schwere Entscheidung. Die Messe ließ er nie ausfallen, er predigte sonst so inbrünstig, dass der Schweiß von ihm floss", liest Schmitz vor. Er sammelt diese Anekdoten aus Zeitzeugenberichten, wie den Aufzeichnungen von Dr. Nikolaus Henkel, einem gebürtigen Bamberger und um 1880 Amtsarzt in Erding. Henkel führte Buch über die Delikte am Landgericht Erding. So beschrieb er, dass ein Bauer in Langengeisling seine Feldfrüchte von sieben bewaffneten Männern bewachen lies, um zu verhindern, dass Landstreicher seine Rüben zogen. Auch der von 1808 an bis 1840 tätige Stadtapotheker Sigmund Lober hielt in seinen Tagebüchern das kriminelle Leben im Landkreis fest, allen voran die Geschichte der Brüder Simon und Niklas Nonnenmacher aus Vaterstetten, den Köpfen einer gefürchteten Räuberbande. Die etwa 20 Mitglieder der Nonnenmacher-Bande zogen mit Doppelflinten und scharfen Hunden bewaffnet durch die Straßen im Landkreis und wurden bis weit über die Grenzen Oberbayerns hinaus gesucht, sogar im Salzburger Land. Im November 1839 versteckte sich die Nonnenmacher-Bande in einem Wald in Birkeneck bei Freising, die Gendarmerie wurde alarmiert. Die Räuberbande verschanzten sich in einem Försterhaus und lieferte sich ein Gefecht mit den Ordnungskräften. "Der Brigadist Schmid erlitt in dem lebhaften gegenseitigen Feuer einen tödlichen Kopfschuss, der Förster wurde durch einen Streifschuss verletzt", liest Schmitz aus Lobers Aufzeichnungen vor. Endgültig gefasst wurde die Bande im Juli 1842 im Kloster Reutberg bei München, Simon Nonnenmacher verbrachte darauf hin acht Jahre im Zuchthaus, bis er im Alter von 35 Jahren verstarb. Er dürfte in dieser Zeit ähnlich wenig Tageslicht gesehen haben wie die Zuhörer im Bunkerraum des Museums Erding. Allerdings wurde er vermutlich nicht so gut unterhalten.

© SZ vom 18.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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