Urteil:Vom Mordversuch bleibt nichts übrig

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Laut Anklage wollte ein 49-jähriger Mann aus Forstern seine Ehefrau durch Erwürgen heimtückisch töten. Am Ende verurteilt ihn das Landgericht Landshut aber nur wegen Körperverletzung zu 19 Monaten auf Bewährung

Von Florian Tempel, Landshut/Forstern

Die Anklage war schwerwiegend. Denn auch auf einen versuchten Mord droht eine lebenslange Freiheitsstrafe. Doch von dem massiven Vorwurf blieb nichts übrig. Dass ein 49 Jahre alter Mann am 1. Oktober 2015 nachts seine Ehefrau in ihrem Haus in Forstern minutenlang gewürgt hatte, war juristisch gesehen weder heimtückisch noch eine Tat mit Tötungsabsicht und auch nicht lebensgefährlich. Am Ende sah selbst der Vertreter der Staatsanwaltschaft darin nicht mehr als eine Körperverletzung, für die eine Bewährungsstrafe ausreichend sei. Der Angeklagte durfte - was zudem auch im Sinn seiner Ehefrau war - nach sieben Monaten Untersuchungshaft den Gerichtssaal als freier Mann verlassen.

Der Angeklagte und seine 16 Jahre jüngere Frau sind seit zehn Jahren verheiratet und haben drei Kinder. Vor etwa drei Jahren begannen ihre Eheprobleme. Anfang 2015 lernte die Frau dann einen anderen Mann kennen. Der Angeklagte erfuhr davon im März und reagierte tief gekränkt. Nach einem heftigen Streit Anfang April unternahm er einen Suizidversuch. Er wollte sich mit einem Strick an einem Dachbalken in seinem Haus erhängen. Seine Frau und seine älteste Tochter bekamen das mit und hielten ihn ab. Vier Wochen später kam es bei der Geburtstagsfeier der Frau zu einer weiteren Eskalation. Der Mann warf vor den Gästen auf der Terrasse die Gartenmöbel um, schrie herum und schubste seine Frau grob zu Boden. Am nächsten Tag zog sie aus und bei ihrem Freund ein. Sie kam nur noch tagsüber, um sich um die Kinder zu kümmern. Im Juli kehrte sie aber ins gemeinsame Haus zurück und richtete sich ein eigenes Zimmer im Dachgeschoss ein. In den Sommerferien verbrachte die ganze Familie dann sogar viel Zeit miteinander. Der Angeklagte begann, sich Hoffnung zu machen, seine Ehe sei doch noch zu retten.

Am 1. Oktober 2015 besuchte er zusammen mit seinen Kollegen das Münchner Oktoberfest. Er trank fünf Maß Bier und einen Schnaps. Ein Kollege setzte ihn gegen 22.20 Uhr an seinem Haus ab. Im Wohnzimmer zog er seine Lederhose aus, ging in sein Zimmer und wollte sich schlafen legen. "Doch auf einmal kam alles aus mir heraus", sagte der Angeklagte vor Gericht: "Emotionen, die ich nicht mehr unter Kontrolle hatte."

Er nahm ein Angler-Taschenmesser und stürmte ins Zimmer seiner Frau, die schlafend in ihrem Bett lag. Er stürzte sich auf sie und begann sie zu würgen. Er werde "zu Ende bringen, was du angefangen hast", schrie er sie an. Er zeigte ihr sein Messer, dass er aber nicht einsetzte, und würgte sie weiter. Selbst als seine älteste Tochter ins Zimmer kam, ließ er nicht von ihr ab. Die Frau rief ihrem Kind zu, es solle die Polizei rufen. Was da Mädchen, nach ersten Zögern - "sonst wird der Papa noch böser" - auch tat. Als das Kind in Begleitung ihrer Schwester erneut ins Zimmer kam, gelang es der Frau, sich ihrem Mann zu entwinden und mit den Kindern weg zu rennen. Im Wohnzimmer fiel ihr Mann noch einmal über sie her. Doch wieder gelang es ihr, sich zu befreien und nun endlich zu den Nachbarn zu flüchten.

Ein Rechtsmediziner legte dem Gericht dar, dass das Würgen der Frau objektiv gesehen nicht lebensbedrohlich war, da sie nicht bewusstlos wurde. Das war der entscheidende Punkt. Das Gericht glaubte letztlich auch dem Angeklagten, dass er seine Frau nicht töten wollte. Die Tat reduzierte sich somit auf nicht mehr als eine Körperverletzung. Der Anwalt der Frau sagte, auch sie wolle nicht, dass ihr Mann "über Gebühr" büßen müsse. Außerdem berücksichtigte das Gericht noch einen mildernden Umstand: Ein psychiatrischer Gutachter hatte gesagt, "ohne den Alkohol wäre das alles mit Sicherheit nicht passiert."

© SZ vom 27.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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