Unerwartete Stadtentwicklung:Realität schlägt Vorschriften

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Fast jeder Grundstücksbesitzer hat im Baugebiet Nr. 62.11 bei der Einfriedung und bei Gartenhäuschen gegen die Festlegungen im Bebauungsplan verstoßen. (Foto: wil (oh))

In einem Erdinger Wohngebiet haben zahlreiche Hausbesitzer seit Jahren die Festsetzungen im Bebauungsplan für Gartenschuppen und Zäune missachtet. Der Stadt bleibt nur die Kapitulation. Alles darf bleiben, wie es ist

Von Gerhard Wilhelm, Erding

"Der Deutsche braucht nicht die EU wegen ihrer Regulierungen zu kritisieren, wenn ich sehe, was wir in Bebauungsplänen für eine Orgie an Festsetzungen hatten." Oberbürgermeister Max Gotz sprach das aus, was sich eine große Zahl von Hausbesitzern im Baugebiet 62.11, dem Gebiet zwischen Bahntrasse und Sempt sowie beiderseits der Zugspitzstraße, wohl gedacht hatte - und deshalb auf dem "absolut überwiegendem Teil der Grundstücke" Festsetzungen bezüglich Einfriedungen und Gartenhäuschen einfach missachteten. Der Stadt blieb jetzt nur die Kapitulation und das Streichen der Festsetzungen im Bebauungsplan, der seit 1993 rechtsverbindlich ist.

Dass der Missstand überhaupt entdeckt wurde, ist mehreren Anfragen für Gartenhäuser beziehungsweise Nebengebäuden aller Art und Anfragen wegen der Zäune und Hecken zu verdanken, wie den Mitgliedern des Stadtentwicklungsausschusses des Stadtrats in der jüngsten Sitzung erklärt wurde. Daraufhin habe man eine Überprüfung angeordnet. Zum Teil durch Ortsbesichtigung, zum Teil mit Luftbildern. Das Ergebnis war ernüchternd. Laut Punkt 4 des Planes sind "bauliche Anlagen zur Aufnahme von beweglichen Abfallbehältern sowie Gartengeräteschuppen zulässig". Pro Parzelle allerdings ist das aber nur ein Schuppen mit maximal fünf Quadratmeter und bei Reiheneckhäusern nur auf dem giebelseitigen Grundstücksteil. Bei der Überprüfung wurde in 33 Fällen die Größe überschritten und 14 Mal der Schuppen nicht auf der Gartenseite errichtet. Vier Hausbesitzer hatten sogar beides missachtet.

Noch häufiger ist der Verstoß gegen das Einfriedungsverbot, Punkt 7 im Bebauungsplan. Bei einem Garten mit weniger als sechs Metern Tiefe sowie bei Geschosswohnungsbau wäre laut Plan gar kein Zaun oder Hecke zulässig. In den anderen Fällen nur Maschendrahtzaun mit Bewuchs von maximal 80 Zentimetern. Die Überprüfung vor Ort Anfang April ergab: "Nahezu jedes Grundstück hat eine Einfriedung zum Nachbarn hin oder zur öffentlichen Verkehrsstraße beziehungsweise Wohnweg. Es gibt alle Variationen. Eisenzäune in allen Ausführungen, Gabionen, verschiedenste Holzzäune, alle denkbare Varianten von Hecken, Kunststoffeinfriedungen und so weiter in allen Größen."

Der Verwaltung blieb allerdings nur übrig, die Mängel festzustellen. Die Abweichungen zwischen dem Wunsch des Architekten, der den Bebauungsplan ausgearbeitet habe, was erlaubt sei und was nicht, und die tatsächliche Situation hätten ein Maß erreicht, dass man sagen könne: "Aufgrund der gefestigten Strukturen in diesem Wohngebiet wird davon ausgegangen, dass eine Verwirklichung der Festsetzungen auf unbestimmte Zeit ausgeschlossen ist." Die Festsetzungen 4 und 7 seien damit "funktionslos" geworden.

© SZ vom 19.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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