Umweltministerin informiert sich:Gehasst und geliebt

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Bibermanager Horst Schwemmer (rechts) lässt Umweltministerin Ulrike Scharf einen jungen Biber streicheln. (Foto: Renate Schmidt)

Seit 20 Jahren können Biber an der Mündung der Dorfen wieder ganz ungestört leben

Von Alexandra Vettori, Gaden

Vor 20 Jahren war die Freude noch groß darüber, dass sich der Biber nach über hundert Jahren hierzulande wieder ansiedelt. Inzwischen gibt es allein in Bayern 17 000 Exemplare und die werden in der Öffentlichkeit oft mehr als Problem wahrgenommen. Bauern beklagen überschwemmte Felder und Fraßschäden, Betreiber von Wasserkraftwerken verteidigen Kanäle und Becken. Dass der Biber auch viel Gutes tut, vor allem für Artenvielfalt und Hochwasserschutz, das wollte der Bund Naturschutz (BN) am Freitag bei einem Ortstermin an der Mündung der Dorfen in die Isar zeigen. Mit dabei: Bayerns Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU), die Landtagsabgeordneten Benno Zierer (Freie Wähler) und Christian Magerl (Grüne) sowie die Bürgermeister der Nachbargemeinden. Sogar an zwei medienwirksame kleine Biberbabys war gedacht.

Die beiden drei Monate alten Jungtiere, die, weil verwaist, von einem Biberfreund mit der Flasche aufgezogen wurden, nahmen den Rummel gelassen, war es doch nicht ihr erster Foto- und Filmtermin. Dass der Naturschutzverband Medien und Ministerin in die Wildnis der Isarauen an der Landkreisgrenze zwischen Erding und Freising holte, hat einen triftigen Grund. An der Mündung der Dorfen kann Baumeister Biber bereits seit über 20 Jahren ohne menschliche Eingriffe wirken. Was er dabei geschaffen hat, erfreut nicht nur das Auge von Naturliebhabern. Gleich neben dem Isardeich aus Menschenhand hatte eine Biberfamilie einst den ersten Damm angelegt und damit die Dorfen aufgestaut. Inzwischen erstreckt sich dort eine 100 Meter lange Biberdamm-Kette, eine acht Hektar große, wildromantische Wasserlandschaft mit Igelkolben, Rohrgras, Schilf, abgestorbenen Riesenbäumen und Weiden. Viele Schmetterlinge und Libellen sind zu sehen, aus dem Geäst dringt das Gezwitscher vieler Vögel. "Früher war das hier eine Pappel-Monokultur", erzählte Christian Magerl, Vogelkenner und Kreisvorsitzender des Freisinger BN.

Wie stark sich die Artenvielfalt erhöht, wenn Biber bauen dürfen, dokumentiert der Biologe Ulrich Meßlinger im Auftrag der Regierung von Mittelfranken seit Jahrzehnten: "Überall zeigt sich ein steiler Anstieg der Artenzahl, Fische, Kleinsäuger und Greifvögel, die auf den vom Biber geschaffenen Lichtungen mehr Nahrung finden, Insekten, Libellen und viele seltene Vögel." Vor allem das vom Biber geschaffene Totholz erfüllt eine wichtige ökologische Aufgabe, nicht nur für den Wasserrückhalt. Dort bilden sich auch Algen, die Insekten Nahrung bieten, die wiederum sind Nahrung für Fische und Vögel. Auch die Untersuchungen von Volker Zahner von der Fakultät Wald und Forstwirtschaft an der Hochschule Weihenstephan Triesdorf zeigen einen erheblichen Anstieg der Strukturvielfalt und eine Verdoppelung der Fischarten nach dem Bau des Biberdamms. Weitere Forschungen in Sachen Hochwasserschutz sind zwar noch nötig, doch schon jetzt lässt sich laut Zahner sagen: "Biberfeuchtgebiete bremsen die Flutwelle und kappen die Hochwasserspitze. Beides ist entscheidend, um zu verhindern, dass sich Hochwasserspitzen aufaddieren und Städte überfluten." Der Professor hofft, bald bayernweit an Flüssen zu diesem Thema forschen zu können, ein Ansinnen, zu dem die Ministerin durchaus wohlwollend lächelte. Zusagen konnte sie ad hoc keine machen, ebenso wenig zu dem Ansinnen des Landesvorsitzenden des Bund Naturschutzes, Hubert Weiger. Der möchte den Ausgleichsfonds für Biberschäden auf 800 000 Euro aufgestockt sehen. Die Anliegen, sagte Scharf, seien aber angekommen.

© SZ vom 01.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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