Umstellung im Stall:Sauwohl?

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Ein neues Label auf Schweineprodukten soll für mehr Tierwohl und bewussteres Kaufverhalten sorgen. Wie Schweine gehalten werden und was das Label für Landwirte bedeutet, zeigt Bauer Zeno Kern

Von Julia Kainz, Erding

Auf dem Hof von Zeno Kern bei Isen leben etwa 200 Zuchtsäue. Ungefähr 5000 Ferkel bringen sie jährlich zur Welt. Sieben Monate werden sie auf Kerns Hof gemästet, bis sie zum Schlachter kommen. Zeno Kern ist Schweinebauer, vor 40 Jahren hat er seinen Betrieb, der schon seit Mitte des 18. Jahrhunderts von seiner Familie geführt wird, darauf spezialisiert. Für ihn könnte das derzeit im Raum stehende Tierwohllabel interessant werden, das künftig auf Schweineprodukten platziert werden soll. Das Label soll ein staatliches, freiwilliges Tierwohlkennzeichen für Schweineprodukte werden. Drei Kategorien soll es geben, die alle über dem gesetzlichen Mindeststandard liegen.

Kern führt einen geschlossenen Betrieb: Alle seine Mastschweine kommen auf seinem Hof zur Welt und leben dort, bis sie zum Schlachthof nach München gefahren werden. Ihren ersten Lebensabschnitt verbringen die Ferkel im Abferkelstall. Mehrere Buchten sind aneinandergereiht, in der Mitte führt ein schmaler Gang hindurch. Jede Sau hat ihre eigene Bucht. Sie kann stehen, sitzen und liegen, umdrehen kann sie sich nicht. Manche Schweine haben ihre Babys vor einiger Zeit zur Welt gebracht, bei anderen dauert es noch ein paar Tage. Gerade erst sind zehn Ferkel geboren, sie können sich um die Sau herum bewegen, laufen zwischen ihren Füßen hindurch und werden gesäugt. Dass die Bewegungsfreiheit des Mutterschweins so eingeschränkt ist, hat einen Grund, wie Kern erklärt. Es solle verhindert werden, dass es seine Jungen zertritt, das komme nämlich öfter vor. Nach 28 Tagen geht es für die Schweinebabys einen Stall weiter: in die Ferkelaufzucht. Zu Beginn teilen sich 40 Jungschweine eine etwa 14 Quadratmeter große Bucht. Die ausgewachsenen Masttiere haben jeweils ein bis 1,2 Quadratmeter Platz. Das sei gesetzlich vorgeschrieben, erklärt Kern. Auf dem Boden liegt kein Stroh oder anderes Einstreu, stattdessen hat er viele Spalten. Durch diesen Boden können die Ausscheidungen direkt abfließen. "Das sorgt für die optimale Hygiene", sagt Kern. Durch Stroh steige die Infektionsgefahr. Die Tiere würden in ihrem eigenen Dreck stehen. "Durch Stroh kommen außerdem Mäuse und Ratten", fügt er hinzu. "Das steigert auch das Bakterienrisiko."

Die Schweine sind aktiv. Neugierig kommen sie an den Rand der Bucht und beäugen die Menschen. Dass sie lebhaft und aufgeweckt sind, sei ein Zeichen dafür, dass es ihnen gut gehe, sagt Kern. Doch diese Art von Tierhaltung steht trotzdem immer wieder in Kritik. Tierschützer verlangen nach mehr Tierwohl: nach mehr Platz, mehr Beschäftigung und eine gerechtere Haltung. Das neue Tierwohllabel soll das schaffen. Und der Verbraucher soll erkennen, bei welchen Produkten höhere Standards und ein größeres Tierwohl vorliegen. "Für den Tierschutz ist das sicherlich der richtige Schritt", sagt Armin Mannl. Er ist ehemaliger Amtstierarzt von Erding und ein Freund der Familie Kern. "Aber die Frage ist, ob die Landwirte das schultern können." Auch wenn dieses Label niemanden verpflichte, so stelle es die Landwirte doch wieder in eine Abhängigkeit. Wenn Supermarktketten beschließen, nur noch Ware mit dem Label zu verkaufen, sind die Bauern gezwungen, ihre Betriebe umzustellen.

Eine Umstellung sei mit viel Geld oder viel Zeit verbunden, erklärt Kern. Er könnte mehr Platz für seine Tiere schaffen, indem er pro Stall weniger Tiere hält. Das wäre mit weniger Einnahmen verbunden. Ansonsten müsse er seine Ställe umbauen, und das sei teuer. Auch Stroheinstreu sei möglich, aber dann müsse man mehrmals täglich ausmisten, denn Schweine können nicht in nassem Stroh stehen. Das wären mehrere Arbeitsstunden täglich. Mit all diesen Maßnahmen hätte Kern kein Problem. Die Folge sei aber, dass seine Produkte teurer werden. Der Verbraucher müsse bereit sein, mehr Geld für sein Essen auszugeben, findet er. Dieser Meinung ist auch Armin Mannl. "Die meisten Leute sparen beim Essen", sagt er. Beide sind skeptisch, ob das Tierwohllabel zu bewussterem Kaufverhalten führt. Die Frage sei zudem, sagt Mannl, "wer die Vorschriften kontrollieren wird".

Etwa 5000 Ferkel kommen jedes Jahr in den Ställen von Johanna und Zeno Kern auf die Welt. (Foto: Renate Schmidt)

Die Kontrolle ist auch für Ludwig Stuhlberger ein wichtiger Aspekt. Der Wartenberger Metzger sieht das Label als "kleinste Verbesserung". Es sei nicht "ganz großartig", ein bisschen was bringe es aber bestimmt, hofft er. "Die, die mitmachen, machen es hoffentlich richtig." Es müsse jedoch kontrolliert werden. Das Label wäre noch sinnvoller, wenn es verpflichtend wäre, sagt Stuhlberger und verweist auf die Kennzeichnung bei Eiern. Da wisse der Käufer genau, wie das Huhn gehalten wurde. Das wäre auch beim Fleisch sinnvoll.

Stuhlberger ist Tierwohl sehr wichtig. Seine Metzgerei hat er zu Beginn letzten Jahres komplett auf Strohschweine umgestellt. Das bedeutet, die Schweine haben einen Außenbereich, Klimareize und Beschäftigung. Der Metzger hat das mit einem Landwirt zusammen aufgebaut. Der hat seinen Hof umgestellt und Stuhlberger zahlt ihm einen Mehraufwandsausgleich. Sieben bis acht Prozent sei sein Fleisch dadurch teurer geworden, sagt er.

Seinen Kunden geben ihm positives Feedback, allerdings sei die Überzeugung der Verbraucher harte Arbeit. "Das ist kein Hundert-Meter-Sprint, sondern ein Marathon." Mannl und der Familie Kern liegt das Tierwohl ebenfalls am Herzen. "Man darf Tiere nicht als Wirtschaftsprodukt ansehen", sagt Mannl. Mehr Tierwohl sei wichtig. Wichtig sei aber auch, dass der Verbraucher seine Rolle erkenne und mehr Geld für das Wohl der Tiere bezahle.

© SZ vom 16.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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