Trachten-Trends in Erding:Fremde Länder und Epochen

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Ein Blick in die Trachtenabteilung kurz vor dem Start der Volksfestsaison: Modern sind heuer historisierende Muster

Von Stefanie Pichlmair

Mit der Mode ist es ja so eine Sache. Man kann ausdrücken, wer man ist oder wer man sein möchte. "Doch das alleine wäre banal", sagt Barbara Gruber, Ehefrau des Gewandhauschefs Hugo Gruber aus Erding. "Mode ist immer ein zeitgeschichtliches Phänomen, das macht sie so spannend". Die historischen Vorbilder der aktuellen Trachtenkollektionen sind der Beweis.

Angelehnt an die gutbürgerlichen Kleider des Biedermeiers werden die Dirndl aus hochwertigen Jacquard-Stoffen gefertigt. Das sind fest gewebte, schimmernde Stoff mit aufwendigen Mustern. "Die Dirndlstoffe sind in dieser Saison hochwertiger und trotzdem ist die Wirkung des Kleides sehr dezent", sagt Gruber. So sieht es auch Sabine Deml. Die Dorfenerin fertigt seit drei Jahren Dirndl an und verkauft sie in Dorfen und München. "Die Tracht wird allgemein wieder schlichter", bestätigt sie. Und weißt darauf hin, dass es früher trotzdem auch mal pompös zuging. "Schon im 19. Jahrhundert trugen sowohl die Bauern als auch die Oberschicht Tracht. Die Tracht der Bauern war einfach, eher eine Trachtenuniform, sie musste zweckmäßig sein. Doch die Adeligen und reichen Bürger trugen aufwendig bestickte Stoffe, sie konnten sich die teure Tracht leisten. Traditionell ist also beides".

Auch die Stoffmuster der aktuellen Saison sind an den Biedermeier angelehnt, Blumenranken, florale Ornamentik, auch Paisley findet man. Das ursprünglich persische Muster wurde während des osmanischen Reichs bis nach Bayern gebracht. Für Gruber ein Zeichen dafür, wie tief die Tracht in der Geschichte verwurzelt ist: "Es gibt nicht die eine Tracht, die irgendwann erfunden wurde. Sondern in ihr versammeln sich unterschiedliche historische Einflüsse wie Muster aus fremden Ländern und verschiedenen Epochen". Und damit die besonderen Muster der Stoffe gut zur Geltung kommen, ist der Rest des Dirndls sehr schlicht gehalten: Mieder mit Knöpfen sind beliebt, auch hochgeschlossene Dirndl trägt man, mit oder ohne Bluse, teilweise auch ohne Schürze, "einfach so, als Sommerkleid" sagt Gruber. Schlicht sind auch die aktuellen Farben, es sind pastellige Töne wie lindgrün, Aprikose oder altrosa. Für Gruber entspricht das dem heutigen Zeitgeist: "Es sind unschuldige, kindliche Farben. Man wünscht sich in Zeiten von Terror und Krieg die kindliche Sorglosigkeit zurück". Farbkombinationen wie rot, blau und grün sind jedoch nach wie vor gefragt und vor allem auf den einfacheren Waschdirndl aus Baumwolle zu finden. Die Waschdirndl sind nicht ganz so aufwendig gearbeitet, daher auch günstiger und vor allem junge Mädchen kaufen sie gerne. "Sie kaufen lieber für weniger Geld alle paar Jahre ein neues, als auf einmal 600 Euro hinzulegen", sagt Gruber. Doch es gibt auch immer wieder Mädchen, die lange für ein teures Dirndl sparen: "Mich berührt es jedes Mal, wie stolz und glücklich die Mädchen mit ihrem Wunschdirndl sind."

Doch nicht jede Frau trägt gerne ein komplettes Trachtenoutfit. Daher hat Gruber für diese Saison auch Alternativen zum Dirndl auf Lager. Mit einzelnen Röcken und Miedern in Trachtenoptik ist man sowohl auf dem Volksfest gut angezogen, "kann den Rock aber auch mit Bluse zum Sommerfest anziehen und das Mieder zur Jeans in die Arbeit", sagt Gruber.

Bei der Herrentracht setzt sich ebenfalls Qualität durch. Das Herzstück der männlichen Tracht ist seit jeher die Lederhose. Das war schon immer so, das ist nichts Neues. Neu ist, dass sich das Bewusstsein der Käufer verändert hat. Man will gut gegerbtes Leder, am besten nachhaltig. Die Kunden sind umweltbewusster geworden und zahlen gerne mehr für entsprechende Qualität. 250 bis 1800 Euro muss man für eine Lederhose veranschlagen. Die teureren sind aus Hirschleder gefertigt, "doch das muss gar nicht unbedingt sein", sagt Gruber. Hosen aus preiswerterem Ziegenleder sind ebenso vorrätig. Auch obenrum hat sich etwas getan: Zu Samtwesten gibt es Alternativen, wenn auch weniger aus Preisgründen - Materiale wie Leinen und Seide sind jedoch authentischer. "Die Tracht wird wieder zu einem durch und durch ehrlichen Gewand. Sie muss nicht modisch sein, weil sie Teil einer Identität ist", sagt Gruber. Diese Identität kann man sich jedoch nicht einfach überstülpen. Eine traurige Nachricht für alle Touristen in bayrischen Bierzelten. Denn auch wenn Mode vieles kann und noch mehr darf, zaubern kann sie nicht.

© SZ vom 04.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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