Tomaten aus Oberkorb:Von Südamerika nach Grüntegernbach

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Tomaten gibt es seit mehr als 2000 Jahren. Und sie werden von vielen Menschen geliebt. Barbara Franzl bietet in ihrer Hofgärtnerei eine Mischung aus historischen und modernen Sorten an

Von Sophia Belliveau

GrüntegernbachIn ihrem 200 Quadratmeter großen Gewächshaus hat Barbara Franzl, Bäuerin aus Oberkorb, an die 160 Tomatensorten. Ihre Leidenschaft für die roten Früchte begann bereits vor mehr als zwanzig Jahren, als sie beschloss, den Dorfner Bauernmarkt damit zu beliefern. "Ich habe schon viel über Tomaten nachgelesen. Sie sind nicht nur sehr gesund, sondern haben auch eine interessante und lange Geschichte." Weil genügend Kundennachfrage bestand, konnte sie ihren Tomatenanbau immer weiter ausdehnen, bis sie ein großes Gewächshaus benötigte. "Ich habe jetzt eine richtige Stammkundschaft. Manche kommen, um Tomaten zu kaufen, andere wollen ganze Pflanzen."

Vor allem interessiert sich Barbara Franzl für die historischen Tomatensorten. Die Geschichte der Tomate beginnt bereits vor ungefähr 2000 Jahren. Schon Mayas und Azteken bauten das Nachtschattengewächs, das ursprünglich aus Mittel- und Südamerika stammt, als Nutzpflanze an. Deshalb kann das deutsche Wort "Tomate", das seit dem 19. Jahrhundert in Gebrauch ist, auf den aztekischen Begriff "xitomatl" zurückgeführt werden. "Meine Leidenschaft sind natürlich die alten Sorten, aber die neuen Hybridsorten sind marktfähiger", sagt Barbara Franzl. Es kämen zwar trotzdem viele Kunden aufgrund ihrer historischen Tomaten, aber die modernen Pflanzen seien viel robuster. "Ich habe inzwischen genügend Erfahrung mit den Hybridsorten, um sie empfehlen zu können. Es werden zwei gute Sorten zusammen gemischt, die daraus entstehenden Pflanzen sind schnittfest und stabil." Dies sei sehr wichtig, denn Tomaten "sind sehr sensible Pflanzen".

Laut Franzl gibt es deutliche geschmackliche Unterschiede zwischen den Tomatensorten, die auch ein Tomatenlaie erkennen sollte. "Die kleineren schmecken fruchtiger und die dunklen würziger. Grüne, orange oder gelbe Tomaten sind häufig etwas säuerlich." Das Ochsenherz, eine beliebte Form der Fleischtomate, sei besonders süß, "aber manchen Kunden zu mehlig". Am schnittfestesten seien Datteltomaten. Zudem könne der Geschmack einer Tomate auch auf den Ursprungsort der Pflanze hinweisen, sagt Franzl. "Wenn eine Pflanzensorte am Mittelmeer angebaut wird, schmecken ihre Tomaten anders, als wenn sie hier in Deutschland gezüchtet wurde." Die Mehrheit der Tomaten in deutschen Supermärkten stammt aus dem europäischen Ausland. Im Winter bezieht Deutschland den Großteil seiner Tomaten aus der spanischen Stadt Almeria. Ansonsten stammen etwa vierzig Prozent der jährlich verkauften Ware aus den Niederlanden, die europaweit die meisten Tomaten exportieren.

Unklarheiten gibt es häufig bei der botanischen Einordnung der Tomate: Ist sie nun Obst oder Gemüse? Bei dieser Frage scheiden sich die Geister. Die Früchte der Tomatenpflanze sind Beeren, die Pflanze selbst ist jedoch dem Aufbau und den Wachstumsphasen nach eher mit Gemüse vergleichbar. Zudem ist sie eine einjährige Pflanze, was weiter für eine Zuordnung zum Gemüse spricht, da Obstpflanzen in der Regel mehrjährig sind. Inzwischen einigen die meisten sich jedoch darauf, dass sie ein "Fruchtgemüse" ist, also eine Mischung aus beidem.

Um ihr Fruchtgemüse vor Schädlingsbefall zu bewahren, verwendet Barbara Franzl "hochwertigen Gründünger und Nützlinge", jedoch "weder Pestizide noch Mineraldünger". Bei sehr warmer Witterung stellen Blattläuse eine Gefahr dar, der häufigste Schädling ist aber die weiße Fliege, die sich auf die Unterseite der Blätter von Gewächshaustomaten setzt. Sie ernährt sich vom Pflanzensaft der Tomate und scheidet einen Teil davon als Honigtau wieder aus, worauf sich bei starkem Befall Rußtaupilze bilden. "Gegen die Fliege helfen vor allem Nützlinge." Zu den beliebtesten und effektivsten zählen der Marienkäfer und die Raubmilbe, die der natürliche Gegenspieler der weißen Fliege ist. Vor einigen Jahren breitete sich die "Samtfleckenkrankheit auf fast alle meiner Pflanzen aus." Hierbei bilden sich auf den unteren Blättern gelblich braune Flecken und auf den Blätterunterseiten ein samtiger grüner Pilz. Ihre Tomatenpflanzen hätten laut Franzl ab August überhaupt keine Früchte mehr getragen. Dieses Jahr "hatten wir zum Glück noch keine Probleme, hoffentlich bleibt es so".

Weitere Probleme bereiten die klimatischen Veränderungen der vergangenen Jahre, die Barbara Franzl vor neue Herausforderungen stellen: "Ich habe einen rasanten Temperaturanstieg bemerkt. Inzwischen ist die Südseite des Gewächshauses im Sommer fast zu warm für die Tomaten." Eigentlich eigne sich das Klima in Deutschland immer besser für den Tomatenanbau, aber ihr Gewächshaus sei noch nicht an die höheren Temperaturen angepasst, es werde zu warm. Durch die Hitze würden die Tomaten "notreif" und nicht gleichmäßig rot werden. "Die Gießarbeit ist enorm, ich muss zweimal am Tag alles durchgehen. Dafür ist aber die Anzucht einfacher", sagt Franzl. Dieses Jahr mache sich das besonders bemerkbar. "Viele meiner Pflanzen waren schon im Mai reif, weil wir ein sehr warmes Frühjahr hatten. Normalerweise dauert es mindestens bis Mitte Juli." Trotzdem rät Franzl noch davon ab, die Pflanzen außerhalb von Gewächshäusern anzubauen. "Ich werde immer wieder gefragt, ob es sinnvoll ist, Tomaten einfach so im Garten einzupflanzen, und ich muss jedes Mal verneinen. Die Pflanzen sind stark vom Wetter abhängig, und die meisten sind nicht robust genug, um längere Regenphasen zu überstehen." Der durchschnittliche Sommer in Deutschland sei noch zu verregnet für den Freilandanbau im großen Stil.

Ihre Produkte verkauft die Tomatenliebhaberin an mehreren Standorten. "Ich bin im Sommer jedes Wochenende am Bauernmarkt in Dorfen und Moosen." Weiterhin konnte sich Franzl aus ihrem ehemaligen Hobby ein zweites Standbein machen. In Grüntegernbach besitzt sie ihre eigene Hofgärtnerei, die gleichzeitig als Schnapsbrennerei für ihren Ehemann dient.

© SZ vom 30.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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