Tagesmütter in Erding:Flexibel, individuell und billig

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Durch den Ausbau von Krippenplätzen ist die Zahl der von Tagesmüttern betreuten Kleinkinder deutlich zurückgegangen. Doch als günstige Reserve und Alternative zur Kita bleiben sie gefragt

Von Regina Bluhme, Erding

Viola Kirmse hatte sich 2012 gerade als Tagesmutter selbständig gemacht, als sie wenig später schon wieder ans Aufhören dachte. Mit dem 2013 gesetzlich verankerten Anspruch auf einen Krippenplatz befürchtete sie das Aus für "Violas Sonnenkäfer". So weit ist es nicht gekommen. Heute betreut sie fünf Kinder in Erding. Laut Landratsamt gibt es insgesamt 30 Tagesmütter im Landkreis. Gerade absolvieren zwölf künftige Tageseltern im Zentrum der Familie den Qualifizierungsgrundkurs.

Vor drei Jahren hat Viola Kirmse fest damit gerechnet, dass sie ihren Traumjob wieder aufgeben muss: "Ich hatte Angst gehabt, weil die Krippen so hochgeschossen sind." Doch sie hatte Glück. Gerade seien zwei Geschwisterkinder nachgerückt, jetzt kümmert sie sich um fünf Kinder im Alter von zwölf Monaten bis knapp vier Jahren.

Insgesamt werden im Landkreis derzeit 80 Buben und Mädchen von Tageseltern betreut, schreibt das Landratsamt auf Nachfrage. Zum Vergleich: Im Januar 2013 waren es noch 196, im Oktober 2013 waren es 99 Kinder. Seit dem kräftigen Ausbau der Krippen ist die Zahl der Tagesmütter "insgesamt leicht rückläufig", so das Landratsamt. Dennoch bestehe grundsätzlich "eine hohe Nachfrage nach Tagespflegepersonen". Alle Tageseltern seien "weitgehend gut ausgelastet".

In Dorfen wäre im Moment so mancher froh über ein paar Tagesmütter mit freien Kapazitäten. Die Stadt wurde von den vielen Anmeldungen für Krippenplätze überrascht und sucht nun händeringend nach einer Lösung. Übergangsweise soll eine Krippe für zwölf Kinder an der Schule eingerichtet werden. Für einen zweigruppigen Neubau wird gerade der Standort geprüft. In der Großen Kreisstadt Erding stehen 274 Krippenplätze zur Verfügung und Pressesprecher Christian Wanninger sind keine Wartelisten bekannt. Auch hier sind Tagesmütter durchaus gefragt. "Die größte Nachfrage besteht in Erding", heißt es auch aus dem Landratsamt. Tageseltern seien eine Alternative zur Kita "für Eltern, die eine individuellere, familiennähere und flexiblere Betreuung ihrer Kinder bevorzugen".

Viola Kirmse richtet sich in den Betreuungszeiten "ganz nach den Bedürfnissen der Eltern". Das bedeute für sie jeden Tag einen anderen Zeitplan. Im Gegensatz zur Krippe könnten die Eltern ihr Kleinkind auch nur zwei oder drei Tage betreuen lassen, fügt sie hinzu. Sie ist zudem überzeugt, dass die Kleingruppe gerade für schüchterne Kinder von Vorteil sein können. Und vom Preis her sei zur Kita auch nicht so viel Unterschied: "Bei mir zahlen die Eltern kein Bastel-, Essens- und Getränkegeld."

Tageseltern arbeiten als Selbständige und erhalten vom Erdinger Jugendamt vier Euro pro Kind und Betreuungsstunde. Dazu kommt je nach Qualifizierung noch ein Zuschlag. Außerdem wird die Unfallversicherung erstattet sowie je zur Hälfte die Alterssicherung, die Kranken- und Pflegeversicherung. Darüber hinaus gibt es Aufschläge, wenn die Kinder bereits ab 6 Uhr, bis 21 Uhr oder an Wochenenden und Feiertagen betreut werden. "Reich werden sie damit aber nicht", sagt Kirmse. Schließlich seien da noch die Kosten für die Miete. "Und an Urlaubs- und Krankheitstagen fällt mein Verdienst ganz weg." Hier würde sie sich ein wenig mehr Unterstützung durch das Jugendamt wünschen.

Voraussetzung für den Einstieg als Tageseltern ist grundsätzlich ein Orientierungskurs. Seit April läuft im Zentrum der Familie in Erding wieder ein solcher Kurs mit zwölf Teilnehmern. "Das ist eine recht erfreuliche Zahl", sagt Barbara Grüneberg, die zuständige Referentin vom Kreisbildungswerk, "da waren wir auch schon einmal dünner bestückt." Allerdings kommen die Teilnehmer aus drei Landkreisen, aus Erding, Freising und Ebersberg. Im Grundkurs erfahren die angehenden Tageseltern, wie man die Tageskinder in den eigenen Familienalltag einbaut, was bei Absprachen mit Eltern, zum Beispiel bei Erziehungsfragen, zu beachten ist oder wie der Erstkontakt mit dem Kleinkind und später die Abnabelung von den Eltern gut gelingen kann. Zudem erhalten sie Informationen über steuerliche und rechtliche Grundlagen sowie über alle Belange rund um den Kinderschutz. Es gibt auch noch zwei Aufbaukurse, die sich unter anderem mit pädagogischen Konzepten und Entwicklungspsychologie befassen.

Die Zusammensetzung der Teilnehmer ist ganz unterschiedlich, sagt Grüneberg. Da sind junge Frauen zwischen 20 und 25 Jahren, die noch keine eigenen Kinder haben, Mütter, die sich beruflich neu orientieren wollen, oder auch Großeltern, die eine neue Aufgabe suchen. "Diesmal sind auch zwei Männer dabei, das finde ich sehr gut." Wie viele der Teilnehmer letztlich dabei bleiben, kann sie nicht sagen, "aber in der Regel steigen die meisten dann auch ein."

Erst vor kurzem hat sich Susanne Hauptmann als Tagemutter selbständig gemacht. Nach 20 Jahren im Büro wollte sie sich beruflich neu orientieren und betreut nun in Ottenhofen die "Semptwichtel". "Begonnen habe ich jetzt mit drei Kindern, demnächst kommen noch zwei dazu", berichte sie. Groß Werbung musste sie nicht machen. "Das ging alles über Mundpropaganda". Auch bei Viola Kirmse sieht es ganz gut aus: Die beiden Dreijährigen in ihrer Gruppe werden im September doch noch nicht in den Kindergarten gehen. "Die Eltern haben mich gebeten, ob sie nicht noch ein Jahr bei mir bleiben dürfen".

© SZ vom 18.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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