Tafeln im Landkreis:An der Grenze der Belastbarkeit

Lesezeit: 2 min

Die Tafeln im Landkreis Erding erleben in den Tagen vor Weihnachten eine Welle der Hilfsbereitschaft. Durch den stetigen Zustrom an Kunden steigt aber auch der physische und psychische Druck auf die Mitarbeiter

Von Jan-Hendrik Maier, Landkreis

191 Menschen haben sich am vergangenen Mittwoch an der Ausgabe der Tafel Erding angestellt. "Das ist rekordverdächtig", sagt die Vorsitzende der Nachbarschaftshilfe Erding, Petra Bauernfeind. Im Vergleich zum Vorjahr habe sich die Zahl fast verdoppelt. "Einen so großen Anstieg haben wir insgesamt nicht vorhergesehen." Auf die Weihnachtstage blicken Bauernfeind und die 60 Helfer dank zahlreicher Spenden zwar "recht entspannt", jedoch stießen sie "langsam an eine Grenze". Die Lagerkapazitäten reichten nicht aus, um mehr als 200 Menschen mit Lebensmitteln zu versorgen und die psychische Belastung für die Mitarbeiter, die manchmal jede Woche im Laden stünden, werde größer. Für das kommende Jahr ist eine Supervision geplant.

Seit einigen Monaten zählen etwa 80 Asylbewerber zu den Kunden. Die gegenseitige Verständigung sei nicht immer leicht gewesen, nicht jeder Flüchtling habe alle Lebensmittel gekannt. Einmal unterstützte die Tafel ein Dolmetscher von der Aktionsgruppe Asyl. Mittlerweile habe sich die Lage aber normalisiert. "Unsere Kunden helfen sich untereinander und wir versuchen bei nachgefragten Produkten wie Reis oder Gemüse zu kanalisieren", sagt Bauernfeind. Dennoch sei es vereinzelt zu Konflikten gekommen: "Ein paar deutsche Kunden haben angesichts der Flüchtlinge gemurrt, sie würden weniger bekommen. Das lassen wir nicht zu und haben in einem Fall auch auf das Hausrecht verwiesen. Jeder bekommt bei uns immer noch ausreichend." Christine Schick von der Taufkirchener Tafel freut sich über die erhöhte Spendenbereitschaft in der Zeit vor Weihnachten. Bereits seit Erntedank würden die 71 ehrenamtlichen Mitarbeiter wöchentlich "etwas Außergewöhnliches" erhalten: finanzielle Hilfen, Kosmetika aus Friseursalons und Gutscheine für Christbäume. "Das freut uns sehr, da wir schon Kunden haben, die sich keinen Baum zum Fest leisten können", sagt Schick. Derzeit könnten die Tafelmitarbeiter mehr Lebensmittel als im übrigen Jahr abholen, sodass das Vorratslager "sehr gut gefüllt" sei.

Etwa 200 Menschen kommen jeden Dienstag in den Laden am Bahnweg. Familien, die nur noch mit einem Gehalt auskommen müssen, ältere Menschen, deren Rente zu gering ist, die alleinerziehende Mutter mit fünf Kindern und zunehmend Asylbewerber aus Taufkirchen und dem umliegenden Holzland - der Zustrom der Kunden und damit die zeitlichen Anforderungen an die Mitarbeiter sind in den vergangenen Monaten gestiegen. "Mitte Oktober haben unsere Helfer ihre Belastungsgrenze erreicht", sagt Schick. Zusammen mit der Gemeindeverwaltung habe man beschlossen, bis Jahresende keine neuen Berechtigungsausweise auszustellen und zunächst den "Status quo auszuwerten". Etwa 15 Helfer haben in der Folge ihr Engagement aus privaten oder gesundheitlichen Gründen beendet, gleichzeitig wurden ausreichend neue Mitarbeiter gefunden. Nach einer internen Umfrage steht fest, dass von Januar an drei statt bisher vier Teams die Kunden betreuen werden. Die neue Einteilung ermögliche längere Ruhezeiten zwischen zwei Einsätzen, sagt Schick. Die Ausgabe am Dienstagabend wird von 15 auf 75 Minuten verlängert und zu Jahresbeginn können wieder neue Ausweise beantragt werden. "Wir stehen ganz gut da und die emotionale Belastung kann auf viele Schultern verteilt werden."

Mehr als doppelt so viele Kunden wie vor einem Jahr kommen zur Dorfener Tafel. Die Lebensmittelausgabe wurde auf sechs Stunden in der Woche erweitert. Angst, am Ende mit leeren Händen dazustehen, braucht allerdings niemand zu haben. Im Gegenteil. "Meist bleibt von den 700 Kilogramm Waren sogar etwas übrig", sagt Hilde Mittermaier von der Nachbarschaftshilfe Dorfen. An Weihnachten gibt es zusätzlich eine Tüte mit Blumen und selbst gebackenen Plätzchen. Seit Januar versorgt die Tafel auch Asylbewerber. Mittermaier hatte im Vorfeld mit den "Altkunden" über die neue Situation gesprochen, "da gibt es keine Probleme". Die Flüchtlinge seien "sehr höflich und bescheiden" und meist bemüht, schnell Deutsch zu lernen, sagt Mittermaier. Sie bedauert jedoch, dass seit diesem Monat nur noch Kunden aus Dorfen bedient werden dürfen und verweist auf die städtische Satzung.

© SZ vom 16.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: