SZ-Serie: Vergangene Pracht:Nicht einmal Spuren blieben erhalten

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Nur ein Kupferstich von Michael Wening zeugt von der Existenz vom Schloss Riedersheim. Archäologische Luftaufnahmen weisen auf eine noch ältere, verschwundene Burg auf dem Hügel hin

Von Katharina Schmidl

Erding Fährt man durch Riedersheim in der Gemeinde Bockhorn, ist von einem Schloss weit und breit nichts zu sehen. Die einzige Erinnerung ist ein Kupferstich von Michael Wening aus dem frühen 18. Jahrhundert. Seit 1774, so viel ist sicher, ist das Schloss verschwunden. Harald Krause, der Leiter des Museums Erding und Archäologe, machte sich dennoch auf die Suche. Denn vom Flugzeug aus lassen sich für geschulte Augen Überreste von Fundamenten und Mauern im Erdboden erkennen. Krause fand Ende 2013 mittels Luftbildarchäologie tatsächlich Spuren - doch nicht vom Schloss, sondern von einer noch älteren, verschwundenen Burg. Das scheint alles verwirrend zu sein, ist aber wohl doch nur der ganz normale Lauf der Dinge.

Krause wurde bei seinen archäologischen Luftaufnahmen auf einem Hügel beim heutigen Riedersheim fündig. Das von Wening gezeichnete "Schloss Riedthaim" kann dort nicht gestanden haben. Der Kupferstich zeigt ein zweistöckiges, mit zwei kleinen Türmchen verziertes, ansonsten recht schlicht gehaltenes Schlösschen, das in einem Tal steht und von einem Wassergraben umgeben ist. Neben kleineren Häusern auf der linken Seite des Schlosses lassen sich im Hintergrund Hügel sowie Äcker und etwas Wald erkennen. Im Vordergrund führt eine Brücke den Weg über einen Bach, der der Haselbach sein muss. Ein Zaun trennt den Weg vom Schlossareal.

In der textlichen Beschreibung zum Kupferstich heißt es, dass "Riedershamb" ein kleiner Ort sei, der etwas Wald, zwei Fischweiher und guten Boden umfasst. Außerdem ist die Rede von einem "mit sehr dicken Mauern uralt erbauten" Schloss, das vor "unerdenklichen Jahren" erbaut worden sei. Es soll dennoch gut bewohnbar und bequem gewesen sein.

Der Ort Riedersheim ist schon lange bekannt, und der Name erscheint erstmals in einer Freisinger Urkunde von 972/76. Riedersheim, Riedershamb, Ruodrihhesheimum, es gibt im Lauf der Jahrhunderte viele Schreibwiesen für den kleinen Ort in der heutigen Gemeinde Bockhorn. Seit dem frühen Mittelalter hatten dort auf alle Fälle Adlige ihren Sitz. Durch Tausch, Heirat, Erbe oder Kauf wechselte der Besitz allerdings immer wieder. 1472 erwirbt zum Beispiel eine Familie Pötschner Riedersheim. Balthasar Pötschner war nicht irgendwer, sondern Bürgermeister von München. Womöglich verlangte ihm, nachdem er kommunalpolitische Karriere gemacht hatte, nach einem adligen Herrensitz, weil er ein echtes Schlösschen dann doch als standesgemäß für sich ansah. Nach den Pötschners gehörte das Gebäude von 1558 an einer Familie Perfall, dann kaufte es ein gewisser Wilhelm Neuchinger. Dessen Nachfahren blieben lange die Herren auf Riedersheim. Belegt ist wieder eine Maria Theresia Neuchinger, die Riedersheim von ihrem Bruder erbte und 1697 einen Anton Marquardt von Imhof heiratete. Weitere Besitzerinnen waren 1720 die Witwe Maria Franziska von Imhof und schließlich von 1746 an deren Tochter Maria Aloysia Freifrau von Widnmann, die Mutter des berühmten Erdingers Joseph Freiherr von Widnmann, dessen eigenes Wohnhaus in der Langen Zeile mitten in Erding noch immer steht. Im Widnmannschen Palais residiert heute unterem anderen die Erdinger Redaktion der Süddeutschen Zeitung.

Ob die letzten Besitzer von Schloss Riedersheim dort überhaupt noch selbst lebten, scheint eher ungewiss. Da das Gebäude 1774 komplett und restlos abgebrochen wird, darf man getrost davon ausgehen, dass es zuletzt nicht mehr sehr wohnlich gewesen war. Und da es offenbar äußerst säuberlich abgerissen wurde, hat man die alten Steine, Ziegel und Balken als Baumaterial für neue Häuser verwendete.

Vielleicht war es ja auch einst genauso beim Bau des Schlosses. Womöglich hatte man die alte Riedersheimer Burg, die oben auf dem Hügel stand und von der Krause aus der Luft heraus Spuren ausmachen konnte, abgerissen und ihre Steine als Baumaterial beim Schlossbau gewissermaßen recycelt.

Krause hat, auch wenn er mittels Luftbildarchäologie keine Spuren vom Schloss fand, doch zumindest Hinweise, wo es gestanden haben könnte. Genau dort, wo die Durchgangsstraße verläuft, die in den 1970er Jahren gebaut wurde. Beim Bau dieser Straße ist man - das hat Krause in Erfahrung gebracht - auf ziemlich dicke Ziegelmauern gestoßen. Vielleicht waren das ja die Fundamente oder Kellermauern des verschwundenen Schlosses. Doch so genau interessierte das vor 40 Jahren niemanden. Auch wenn man heute gerne wüssten, wo das einstige Riedersheimer Schloss denn genau stand, bleibt als einzige Erinnerung nur noch der Kupferstich von Michael Wening.

© SZ vom 29.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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