SZ-Serie: Busfahrer des Jahres, Folge 4:Das braucht seine Zeit

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(Foto: oh)

Eine Stunde mit dem Bus unterwegs statt zwölf Minuten im eigenen Auto: In ländlichen Gebieten des Landkreises ist der öffentliche Nahverkehr derzeit keine konkurrenzfähige Alternative

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Als Großstädter denkt man nicht lange nach, wie man ohne Auto von A nach B kommt. In München ist immer in wenigen Minuten Gehzeit ein Verkehrsmittel des öffentlichen Personennahverkehrs zu erreichen - sei es die Straßenbahn, die U-Bahn oder S-Bahn oder ein Bus. Im Landkreis Erding ist das allerdings ganz anders, zumal Erding ein Flächenlandkreis mit 26 Kommunen und vielen Hundert Gemeindeteilen auf einer Gesamtfläche von 870 Quadratkilometern ist. Ausgeprägt ist hier vor allem das Straßennetz, dass es zusammengerechnet auf einige Tausend Kilometer Länge bringt.

Wenn man sich auf der Internetseite des Landratsamts Erding über die Busverbindungen informiert, werden 32 MVV-Linien angezeigt, darunter aber auch einige Ruf-Taxis, die nicht regelmäßig verkehren. Dazu kommen noch 17 private Linien von Busunternehmen. Auf den ersten Blick möchte man meinen, dass man doch ganz leicht mit dem Bus von jedem Punkt im Landkreis an einen anderen gelangen kann. Soweit die graue Theorie.

Die Praxis sieht anders aus. Nehmen wir einen Bürger aus Fraunberg, einer Gemeinde mit 42 Ortsteilen. Max Mustermann kommt in unserem Fall aus Bachham, wo derzeit 85 Menschen leben, und will zu seiner Autowerkstatt in Berglern, die exakt zwischen den Ortsteilen Mitterlern und Niederlern liegt. Der Routenplaner schlägt eine Strecke vor, die 10,2 Kilometer lang ist und mit dem Auto in zwölf Minuten zu bewältigen wäre. Zu Fuß wäre es mit 8,8 Kilometer zwar ein kürzerer Weg, Max Mustermann bräuchte dafür allerdings eine Stunde und 46 Minuten. Mit dem Fahrrad sind es 9,5 Kilometer, was er in 28 Minuten schaffen sollte. Das Auto von Max steht gerade in der Werkstatt und wegen einer Sportverletzung kann er weder radeln noch so weit zu Fuß gehen. Also will er mit dem Bus fahren.

Ein Blick in die Fahrpläne zeigt, dass nur der Rufbus der Linie 561 die Haltestelle in Bachham anfährt. Wer mit diesem Bus fahren will, muss den Busbetreiber zuerst anrufen. Das Rufbussystem sowie ein Anruf-Taxi-System wurden eingeführt, um auch bevölkerungsschwache Gebiete zu versorgen. Den Rufbus braucht Max nur bis zur Haltestelle Feuerwehrhaus Wartenberg. Da steigt er in den Bus der Linie 502 um, der über Langenpreising und Zustorf nach Niederlern fährt. Dort angekommen muss er noch 270 Meter zu Fuß zu seinem Autohaus gehen. Alles in allem ist Max so eine Stunde und 15 Minuten unterwegs.

Es gibt auch eine zeitlich kürzere Route im Angebot - wäre Max fitter zu Fuß. Dann könnte er die 1,1 Kilometer bis zur Haltestelle Strognstraße in Fraunberg gehen, um dort in den Bus der Linie 501 einzusteigen, der 19 Minuten später am S-Bahnhof in Erding ankommt, dem zentralen Busbahnhof des Landkreises. Allerdings muss Max aufpassen: Der Bus fährt zwar in der Früh zwischen 5.12 Uhr und 7.32 Uhr vier Mal die Haltstelle an, dann ist aber eine Stunde Pause. Zwischen 8.32 Uhr und 11.32 Uhr geht sogar drei Stunden kein Bus, ehe es 13.32 Uhr im Stundentakt weiter geht. Der letzte Bus fährt um 18.32 Uhr, abends verkehrt nur das Ruftaxi 5010, am Wochenende hat es die Nummer 5020.

Mit dem 501er-Bus ist Max in 19 Minuten am Bahnhof Erding. Und wenn alle Busse pünktlich sind, muss er nur drei Minuten warten, ehe er dort in die Linie 502 umsteigen kann, die zehn Mal am Tag über Mitterlern beziehungsweise Niederlern nach Wartenberg fährt. Fahrzeit 18 Minuten. Letztendlich braucht Max auf diesem Weg inklusive Geh- und Wartezeiten 55 Minuten für die rund zehn Kilometer zu seiner Werkstatt.

Fazit: Max kommt auch im Landkreis Erding mit dem ÖPNV von A nach B - mit viel Planung und Zeit. Eine echte Konkurrenz zum Auto ist das aber nicht.

© SZ vom 11.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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