Soziales Engagement:Löcher im Versorgungsnetz

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Die Tafel Erding hat am Mittwoch erstmals Lebensmittel an ihrem neuen Standort im alten Postgebäude ausgegeben. Die Zahl der Bedürftigen dürfte in Zukunft steigen, vor allem wegen der günstigen Lage am Bahnhof

Von Regina Kirschner, Erding/Dorfen/Taufkirchen

Eine Kühlung für den Sommer fehlt noch, aber für Petra Bauernfeind ist das eher ein kleines Problem. Der Sommer ist noch weit weg. Ansonsten ist die Vorsitzende der Nachbarschaftshilfe Erding durchaus angetan vom alten Postgebäude, dem neuen Standort der Tafel Erding. Dort haben die Helfer am Mittwoch zum ersten Mal Lebensmittel an Bedürftige ausgegeben. "Es hat sich vieles verbessert", sagt Bauernfeind.

Die Helfer haben deutlich mehr Platz als am alten Standort an der Friedrichstraße. Hilfsbedürftige müssen nicht mehr draußen warten, bis sie an der Reihe sind. Außerdem liegt das alte Postgebäude direkt am Bahnhof, ist daher mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen. Bauernfeind glaubt, dass künftig deutlich mehr Hilfsbedürftige das Angebot der Tafel nutzen dürften. Sie sagt aber auch: "Mit mehr Helfern könnten wir noch mehr leisten." Ein Problem, mit dem auch andere Tafeln im Landkreis kämpfen.

Wie schwer es ist, Freiwillige zu finden, weiß zum Beispiel Christine Schick von der Tafel Taufkirchen. Die Einrichtung musste in diesem Jahr mangels Helfer eine dreimonatige Zwangspause einlegen. Mittlerweile hat sich die Situation wieder verbessert, die Tafel wird bald wieder ihre Tätigkeit aufnehmen. Hilfsbedürftige können von Dienstag, 14. November, an in Taufkirchen wieder Lebensmittel abholen. Eine Selbstverständlichkeit sei das aber nicht, findet Schick. "Man muss sich von dem Gedanken lösen, dass die Tafel ein flächendeckendes Versorgungsnetz bietet."

Das zeigt auch der Fall der Tafel Wartenberg. Sie musste vor gut zwei Jahren schließen, weil sich nicht genügend Helfer bereit erklärten. Eine Tafel zu organisieren, sei anstrengend, sagt Hilde Mittermaier, Vorsitzende der Nachbarschaftshilfe Dorfen: "Es ist nicht damit getan, einen Tisch hinzustellen. Ein Tafelladen ist ein Lebensmittelbetrieb, der hygienische Vorschriften einhalten muss." Wenn nur wenige Bedürftige das Angebot nutzen, lohne sich der Aufwand nicht.

Dabei ist schwer zu sagen, wie viele Menschen tatsächlich eine Tafel benötigen. Die eigene Scham halte manche davon ab hinzugehen, sagt Brigitte Fischer von der Caritas. In einer kleinen Stadt, in der sich die Leute kennen, führe das dazu, dass einige das Angebot nicht nutzen würden - obwohl es ihnen zustünde. Fischer geht von einer hohen Dunkelziffer aus. Diese könnte aber auch mit den Zuständigkeiten im Landkreis zusammenhängen. Die Satzung der Dorfener Nikolaistiftung, des Trägers der dortigen Tafel, gibt vor, dass nur Bedürftige aus dem Gemeindegebiet Dorfen versorgt werden. Wer außerhalb wohnt, muss zu einer anderen Tafel fahren. Bis 2015 erhielten fünf bis sechs Bedürftige, etwa aus Isen oder Sankt Wolfgang, Ausnahmegenehmigungen für die Dorfener Tafel. Dort stieg der Bedarf im Zuge der Flüchtlingskrise massiv an: "Wir mussten zwei wöchentliche Ausgaben organisieren", sagt Mittermaier. Sie betont aber, dass es keinen Zusammenhang zwischen Flüchtlingen und den weggefallenen Genehmigungen gegeben hätte: "Das war Zufall." Inzwischen habe sich die Situation normalisiert, zwischen 45 und 55 Abholer kämen regelmäßig.

"Es wäre schön, wenn Berechtigte, die außerhalb der Gemeindegrenzen leben, kommen dürften", findet Fischer. Johann Selmair vom Stiftungsrektorat verweist zwar auf die bestehende Satzung, schließt aber eine Rückkehr zum alten Modell nicht aus: "Wenn Lebensmittel übrig bleiben würden, könnte man wieder über eine Änderung nachdenken." Das Amt für Soziales der Stadt Dorfen argumentiert im Grunde ähnlich. Helferkreise seien für die Menschen in der Gemeinde da. Wenn sich anderenorts keine Tafel organisiert, müssten Bedürftige weitere Wege in Kauf nehmen. Zum Beispiel nach Erding. Hier liegt die Tafel nun immerhin gut erreichbar neben dem Bahnhof.

© SZ vom 09.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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