Soziale Bodennutzung in Erding:Wohnraum für jedermann

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In der Ecke zwischen Dorfener Straße und Hohenlindener Straße soll Wohnbebauung entstehen - zum Teil in einer sozial gebundenen Form. (Foto: Peter Bauersachs)

Der Stadtrat fasst einen Grundsatzbeschluss: Auch Bürger mit niedrigen und mittleren Einkommen sollen auf dem Erdinger Immobilienmarkt eine Chance haben. Es bleibt viel Spielraum

Von Antonia Steiger, Erding

Wenn in Erding künftig ein Baugebiet neu ausgewiesen wird, kommen auch Menschen mit niedrigem oder mittleren Einkommen zum Zuge - per Kauf oder per Miete. Der Erdinger Stadtrat hat dafür einen "Grundsatzbeschluss zur Beschaffung bezahlbaren Wohnraums" gefasst, der vorsieht, dass 30 Prozent eines Baugebietes auf diese Weise genutzt werden sollen: Sie werden unter dem Marktwert verkauft oder vermietet. Allen Beteiligten ist klar, dass dies die Gewinne von Investoren deutlich schmälert. Damit diese in ihrem Investitionseifer nicht komplett erlahmen, ist in dem Grundsatzbeschluss ebenso festgeschrieben, dass 40 Prozent des Wertzuwachses, den eine Fläche auf dem Weg vom Acker zu Bauland erfährt, bei den Investoren und Eigentümern bleiben soll. So sieht das Erdinger Konzept der sogenannten sozialen Bodennutzung (Sobon) aus.

Dieser Grundsatzbeschluss komme einer Selbstverpflichtung des Erdinger Stadtrates gleich, erklärte der Münchner Rechtsanwalt Gerhard Spieß den Stadträten in ihrer Sitzung am Dienstag. Das Ziel, auch für Durchschnittsbürger bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, soll im Normalfall wohl mit Hilfe von städtebaulichen Verträgen mit Eigentümern und Investoren erreicht werden. Es geht aber auch anders: Auch ein Einheimischenmodell ist ein Weg, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen. Der Grundsatzbeschluss ermöglicht es der Stadtpolitik, von Fall zu Fall zu entscheiden, wo was am besten hinpasst. Unumstößliches Ziel ist jedoch, quer über die gesamte Stadt verteilt günstigen Wohnraum zu schaffen.

Wie Spieß erklärte, müssen die städtebaulichen Verträge der Bauleitplanung immer einen Schritt voraus sein. Der erste Vertrag müsse vor dem Aufstellungsbeschluss unterschrieben werden, erst dann sollte die Detailplanung für ein Baugebiet folgen. Wenn Themen wie Erschließung, Geschossflächen und Infrastruktur abgehandelt sind, folgt ein weiterer städtebaulicher Vertrag mit dem Grundeigentümer - und zwar bevor der Bebauungsplan öffentlich ausgelegt wird. Ein möglicher Weg wäre auch der Kauf eines Grundstücks in dem künftigen Baugebiet durch die Stadt Erding, die dort dann sozialen Wohnungsbau schaffen kann. Die Frage, ob in neuen Baugebieten Eigentums- oder Mietwohnungsbau zu moderaten Preisen geschaffen werden soll, wurde dieses Mal überhaupt nicht diskutiert. Auch dies ist eine Festlegung, die laut OB Max Gotz (CSU) von Fall zu Fall getroffen werden soll.

Ob dieser Grundsatzbeschluss auch auf Gebiete angewendet werden kann, in denen das Bauleitverfahren bereits im Gange ist, wollte Hans Egger (Erding jetzt) wissen. Grundsätzlich sei dies möglich, sagte Spieß, außer wenn die Baureife schon da sei. Die Frage sei, welcher Spielraum vorhanden sei, wenn mit der Planung bereits begonnen wurde und der Bodenwert schon gestiegen sei. Dann seien vielleicht nicht mehr dreißig Prozent sozial gebundener Wohnraum möglich, sondern eventuell nur noch zehn Prozent.

Spieß machte den Stadträten - und auch den Bauträgern und Investoren im Zuschauerraum - Mut, dass die vierzig Prozent des Wertzuwachses, die beim Investor bleiben sollen, durchaus zu erreichen seien. Die Stadt München habe sich bei diesem Wert auf ein Drittel des Wertzuwachses festgelegt, und sie sei noch nie in Gefahr geraten, diese Forderung nicht zu erfüllen. "In der Regel wird es mehr sein, was beim Planungsbegünstigten - also beim Grundeigentümer oder Investor - hängen bleibt." Wie hoch dieser Anteil ist, hängt laut Spieß zum Beispiel auch davon ab, wie schwierig die Erschließung zu bewerkstelligen sei. Dass daraus eine Ungleichbehandlung der Investoren erwächst - der eine sahnt vierzig Prozent und der andere fünfzig Prozent ab -, beunruhigt den Rechtsanwalt nicht. Jakob Mittermeier (CSU) sagte, ein Problem werde mit der sozialen Bodennutzung auf jeden Fall gelöst: die Frage, wo man ein Grundstück für den sozialen Wohnungsbau herbekomme. Denn Spieß hatte betont: Es entstünden keine Sozialsiedlungen, sondern gemischte Gebiete.

© SZ vom 28.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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