"So naiv ist niemand":Für den Freund ins Gefängnis

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19-jährige Moosburgerin muss eine Woche in Dauerarrest, weil sie mit gefälschten Rezepten Ersatzdrogen besorgt hat

Von Alexander Kappen, Freising/Moosburg

Januar 2017: Eine heute 19-jährige Moosburgerin geht viermal innerhalb kürzester Zeit, davon dreimal am selben Tag, mit gefälschten Rezepten in verschiedene Moosburger Apotheken, um ihrem Freund Ersatzdrogen zu besorgen. Obwohl dieser seit Jahren mit Alkohol- und Drogenproblemen zu kämpfen hat und erst kürzlich wegen diverser Delikte zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt worden ist, will die junge Frau nicht gewusst haben, dass an den Rezepten was faul war. Das erzählte sie jetzt jedenfalls in der Schöffensitzung des Freisinger Amtsgerichts, in der sie sich wegen Urkundenfälschung verantworten musste.

Aber nicht nur der Staatsanwalt fragte sich am Ende der Verhandlung, "ob sie uns zum Narren gehalten und das Naivchen nur gespielt hat". Auch das Gericht glaubte nicht, "dass Sie das Unschuldslamm sind, das Sie hier spielen", sagte Richter Boris Schätz zur Angeklagten: "So naiv ist niemand - und Sie schon gar nicht."Die 19-Jährige, die ohne Verteidiger erschienen war, wurde schließlich nach dem Jugendrecht zu einer Woche Dauerarrest, der Zahlung von 500 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung und fünf Beratungsgesprächen bei der Jugendgerichtshilfe verurteilt.

Staatsanwaltschaft und Gericht waren überzeugt, dass die in der Anklage erhobenen Vorwürfe sich so zugetragen haben. Demnach fälschte der 20-jährige Freund der Angeklagten, der damals überwiegend bei ihr lebte, in ihrer Wohnung und auf ihrem Computer die Rezepte. Das hat er laut Richter in seiner eigenen Verhandlung vor ein paar Wochen so geschildert. Den Rezeptblock hat er in der Praxis eines Langenbacher Arztes geklaut, bei dem allerdings nur die Angeklagte, nicht aber er selbst Patient war. Dann fuhr er mit der Angeklagten zu verschiedenen Apotheken und ließ sie die Ersatzdrogen holen.

Den Rezeptblock und den Arztstempel darauf habe sie gar nicht angeschaut, sagte die 19-Jährige in der Verhandlung. Auch davon, dass ihr Freund den Block in der Praxis ihres Arztes gestohlen hat, habe sie nicht mitbekommen. "Ich hatte einen Arzttermin, und weil mein Freund gerade bei mir zu Besuch war, hat er mich begleitet." Das Gericht kaufte der jungen Frau ihre Ahnungslosigkeit nicht ab. Ob sie denn gar nicht ins Grübeln geraten sei, dass ihr Freund sie an einem Tag innerhalb von 40 Minuten mit den Rezepten dreimal in eine andere Apotheke geschickt und nicht alle Rezepte auf einmal mitgegeben habe, wollte der Richter wissen? Nach der ersten Apotheke habe ihr Freund gesagt, er habe ein Rezept vergessen. Und nach der zweiten halt noch einmal, so die Angeklagte.

Glaubwürdig war das alles für Staatsanwalt und Gericht nicht - zumal die Alkohol- und Drogenkarriere des Freundes schon im Kindesalter begann und die Angeklagte in den Jahren 2012 und 2013, als die beiden noch kein Paar waren, wegen ihres Freundes zweimal straffällig und verurteilt wurde. Einmal wegen eines Einbruchs ins Schwimmbad, Diebstahls und Drogenerwerbs. Das andere Mal hatte sie ein gestohlenes Fahrrad in ihrem Schuppen, von dem ihr Freund angeblich behauptet hatte, es gehöre seiner Schwester. Nach all dem, so der Eindruck des Gerichts, hätte die Angeklagte bezüglich der Rezepte durchaus stutzig werden können.

Mitbekommen habe sie schon, dass ihr Freund "Drogen und Tabletten nimmt, aber er hat gesagt, er macht das nur ab und zu", sagte die Angeklagte: "Er hat gesagt, er will sich ändern, aber er braucht meine Hilfe - ich habe es ihm geglaubt."

Nach dem Vorfall mit den Rezepten habe sich die 19-Jährige von ihrem Freund getrennt, sei aber zu ihm zurückgekehrt,hieß es im Bericht der Jugendgerichtshilfe. Das sei ein ähnliches Muster, wie bei den getrennten Eltern der Angeklagten. Hier sei die Mutter ständig zwischen dem Vater und ihrem neuen Lebensgefährten hin- und her gerissen. Eine schädliche Neigung sahen bei der 19-Jährigen weder die Jugendgerichtshilfe noch der Richter, der ihr Verhalten teilweise auf ihre Familiengeschichte zurückführte. Er wollte der Auszubildenden nicht zwingend Absicht unterstellen, "aber für eine Urkundenfälschung reicht bedingter Vorsatz". Und, so der Richter weiter, "hier wurde keine Schulaufgabe gefälscht, sondern ein Rezept für Medikamente, mit denen man sich das Leben nehmen kann". Wegen der Schwere der Tat verhängte das Gericht dann auch den Dauerarrest.

© SZ vom 04.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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