Seysdorf bei Au:Weiterbilden im Netz

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Mit ihrem Unternehmen "Craftguide" entwickeln Johannes Nies und Theo Strauß digitales Lehrmaterial für handwerkliche Berufe, denn für externe Fortbildungskurse bleibt oft wenig Zeit

Von Katharina Aurich

Handwerkskunst und Digitalisierung, Tradition und Innovation, das müssen keine Gegensätze sein. Theo Strauß (29), der das Schreinerhandwerk erlernte, und Johannes Nies (30), der an der Hochschule München Industriedesign studierte, haben sich zusammengetan und verwirklichen nun ihre Idee, digitale Lehrmaterialien für die handwerkliche Ausbildung anzubieten. Craftguide heißt das junge Unternehmen in Seysdorf bei Au.

Mit seinem puristisch gestalteten Stand bei der internationalen Handwerksmesse in München hat es kürzlich viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Die beiden Jungunternehmer entwickeln interaktive Lehr- und Lerninhalte wie zum Beispiel Maschinenkurse und stellen sie Bildungsträgern und Auszubildenden über eine Plattform zur Verfügung.

Perspektivisch soll Craftguide die "interaktive Enzyklopädie des Handwerks" werden. "Wir wollen praktisches Wissen erfassen und für viele Menschen, für den Fachmann und für den Laien, mobil zugänglich machen". Mit den neuen, digitalen Technologien eröffneten sich völlig neue Wege, Fachwissen zu vermitteln, sagen die beiden. Den Prototyp, einen digitalen Maschinenkurs für Schreiner, gibt es bereits. Die Inhalte bei dieser Art der Wissensvermittlung seien nicht statisch, sondern interaktiv erfahrbar. Aktuelle Entwicklungen aus den verschiedensten Gewerken sowie die Handhabung neuer Maschinen flössen über eine Schnittstelle direkt in die Datenbank ein und seien damit stets Up-to-date, schildert Nies.

"Wir wollen das Potenzial der digitalen Medien nutzen", erklärt Theo Strauß, der nach seiner Lehre zwei Jahre auf der Walz war und als Schreiner einiges von der Welt gesehen hat. Der Zugang zu handwerklichem Fachwissen sei bisher schwierig, um sich weiterzuentwickeln sei man von der sehr knappen Zeit und manchmal auch der Lust der Meister abhängig. "Außerhalb der Betriebe und Bildungsstätten oder auf der Baustelle hat man zu wenig Möglichkeiten, an relevantes Wissen zu kommen." Das ändere sich nun durch die Digitalisierung von Wissen, jeder könne sich selbst damit weiterbilden und seine praktischen Fertigkeiten sowie die fachgerechte Nutzung von Maschinen trainieren. Craftguide wolle es seinen Nutzern auch online ermöglichen, sich handwerkliches Fachwissen anzueignen, so Strauß.

Die beiden jungen Unternehmer gingen ihr Projekt nicht leichtfertig an, sondern "wir haben uns den ganzen Winter hier im Büro eingeschlossen und unser Produkt, aber auch die Vision von Craftguide entwickelt. Man braucht nicht nur eine gute Idee, sondern muss auch das Umfeld verstehen, in dem man sich bewegt", schildert Nies, der bereits Erfahrung mit Start-ups hat.

An der Unternehmer-TUM in Garching entwickelte er mit anderen den agilen Entwicklungsprozess TAF, um neue Ideen und Konzepte auf ihre technische Machbarkeit, den Kundennutzen und die Markttauglichkeit hin zu optimieren. Auch ihr eigenes Vorhaben haben Strauß und Nies immer wieder modifiziert, nun suchen sie Investoren und haben beim Bundesministerium für Bildung und Forschung einen Förderantrag gestellt, um ihr innovatives Produkt markttauglich zu machen. Nach den Maschinenkursen für Schreiner soll es bald auch welche für die Metallbranche gehen.

Bisher haben die beiden Firmengründer viel Zeit investiert, sind wieder in ihre Heimat gezogen und nutzen Räume im Firmengebäude des Pflanzenfotografen Friedrich Strauß, um in der Startphase Kosten zu sparen. Inzwischen hat Craftguide die ersten Kunden und profitiert vor allem vom Netzwerken mit Unternehmen und Bildungseinrichtungen, die das anwenderfreundliche Design und das didaktische Konzept schätzten, berichten die Gründer. Ihr Vorhaben passe gut zur Handwerks- und Ausbildungskultur in Deutschland, die international hohes Ansehen genieße, sagt Johannes Nies.

Gleichzeitig schreite die Digitalisierung schnell voran, deren Möglichkeiten man nun für diesen traditionellen Bereich nutze. Aber die beiden haben nicht nur Deutschland im Blick, erklären sie die virtuellen Kurse könnten auch in anderen europäischen Ländern und den USA für die Ausbildung von Fachkräften eingesetzt werden.

© SZ vom 18.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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