Seniorenzentrum:Die Familie bleibt das Maß aller Dinge

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Andreas Lenz (links) hat Peter Laumann nach Erding eingeladen. (Foto: oh)

Zwei neue Gesetze sollen die Pflege im Alter verbessern. In Erding diskutierten Branchenkenner mit Gesundheits-Staatssekretär Karl-Josef Laumann über die Perspektiven

Von Mathias Weber, Erding

Man habe, so sagte der Erdinger Bundestagsabgeordnete Andreas Lenz (CSU) am Dienstag, fast das Gefühl, neben der Flüchtlingskrise gebe es kein anderes Thema mehr im Land. Das stimme aber nicht: Der Bundesregierung sei nämlich in den vergangenen Monaten und Jahren etwas "Herausragendes gelungen", so Lenz. "Die größte Reform der Pflege in den vergangenen Jahrzehnten" nämlich, in Form von zwei Gesetzen: Das Pflegestärkungsgesetz I ist Anfang 2015 in Kraft getreten, das Pflegestärkungsgesetz II folgt zum 1. Januar 2016. Was diese Gesetze für das Pflegewesen und Hunderttausende Pflegebedürftige (auch in Erding) bedeutet, das hat Lenz am Mittwoch im Fischers Seniorenzentrum mit Vertreter von Pflegeunternehmen und der Gesundheitsversorgung diskutiert.

Zu Gast war auch ein Vertreter aus Berlin. Karl-Josef Laumann (CDU) ist Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium und Bevollmächtigter der Bundesregierung für die Pflege. Laumann wurde in seinem Vortrag sehr grundsätzlich: Als seine größte Sorge bezeichnete er die steigende Anzahl von Menschen, die in irgendeiner Form Pflege bedürfen - vier Millionen Deutsche (eineinhalb Millionen mehr als heute) werden im Jahr 2050 auf Pflege angewiesen sein. Deren Zahl nehme im Schnitt pro Jahr um zwei bis drei Prozent zu, und dementsprechend sollte auch die Zahl der Pflegekräfte zunehmen. Pflegeberufe müssten also attraktiver werden. Er forderte eine Berufsvertretung für die Beschäftigten der Pflegebranche - analog der Apotheken- oder Ärztekammer. Eine solche "Pflegekammer" würde die Machtverhältnisse im gesamten Gesundheitssektor zugunsten der Pflege verändern; ein Vorschlag, der die Erdinger Pflegevertreter mit Applaus bedachten.

Weniger begeistert waren die Zuhörer allerdings von der klaren Aussage des Staatssekretärs, an der Ausbildung der Pflegekräfte grundsätzlich nichts verändern zu wollen, sie also nicht von vornherein zu akademisieren. Seltsam, hieß es von den Erdinger Diskutanten, wenn man auf andere europäische Länder blicke: Im Osten wie im Westen sei der Pflegeberuf auch ein akademischer Beruf. Laumann will das eine aber nicht gegen das andere ausspielen: Zwischen zehn und 15 Prozent der Beschäftigten in der Pflege, so halte er es für sinnvoll, sollten einen akademischen Hintergrund mitbringen.

Neben der Förderung der Pflegeberufe gebe es noch eine zweite große Strategie im Rahmen der neuen Pflegestärkungsgesetze: die Stärkung der ambulanten, der häuslichen Pflege. Sorge bereitet Laumann die Vereinsamung alter Leute. Deshalb sollten - und hier sei die Politik vor Ort gefordert - Strukturen ähnlich für Kinder geschaffen werden, mit Tagespflegeeinrichtungen zum Beispiel (wie bei den Kindern müsse es heißen: "Kurze Beine, kurze Wege"). Hier solle die Politik mit der Pflege in Kontakt treten und Lösungen suchen; am Dienstag dabei waren auch Lokalpolitiker, zum Beispiel Bürgermeister Hans Peis (CSU) aus Neuching und Bürgermeister Franz Hofstetter (CSU) aus Taufkirchen. Laumann betonte aber auch, dass - trotz aller Unkenrufe - die Pflege innerhalb der Familie nach wie vor das Maß aller Dinge sei. Zwei Drittel der Pflegebedürftigen würden nach wie vor im Rahmen der eigenen Familie betreut. Eine Teilnehmerin wollte ihre Geschichte dem Staatssekretär mit auf den Weg geben: Sie pflege ihren Vater und ihre Mutter alleine auf dem heimischen Bauernhof und appellierte an Laumann, diese Leute, die sich oft aufopfern, keiner eigenen Arbeit mehr nachgehen können und daher auf hohe finanzielle Hilfen des Staates angewiesen sind, nicht zu vergessen. Laumann wurde in diesem Zusammenhang wieder grundsätzlich. Er müsse immer an die Aussage von Bundeskanzler Konrad Adenauer denken: Der Staat solle den Bürgern dienen.

© SZ vom 09.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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