Schreiben kopiert:"Reichsbürger" als Inspiration

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Ein 43-Jähriger, der eine Gerichtsvollzieherin bedroht hat, wird vor dem Amtsgericht zu einer Bewährungsstrafe verurteilt

Von Wieland Bögel, Ebersberg

Drohbriefe mit Forderungen in Millionenhöhe und mit Betrugsvorwürfen, dazu Versuche, ihr Konto zu plündern. Was eine Gerichtsvollzieherin 2016 erlebt hat, würden manche als bedrohlich empfinden - nicht so die Geschädigte. "Wenn ich ängstlich wäre, dürfte ich den Beruf nicht machen", erklärte sie nun als Zeugin im Amtsgericht. Dort wurde gegen den Urheber verhandelt. Angeklagt waren ein 43-Jähriger aus dem Landkreis Ebersberg und seine 40-jährige Lebensgefährtin. Diese, so versicherte der 43-Jährige, habe nichts gewusst - obwohl das Geld, zweimal 50 000 Euro, auf ein Konto der Frau hätte überwiesen werden sollen.

Er habe das Konto ohne das Wissen seiner Freundin eingerichtet, sagte der Angeklagte. Er sei in ihrer Firma für das Finanzielle zuständig gewesen, sie habe es nicht so mit den Zahlen. Der Angeklagte vermochte den Betrieb allerdings auch nicht aufrecht zu erhalten. Vor gut zwei Jahren geriet die Hausmeisterfirma in Schieflage, die später vom Angeklagten bedrohte Gerichtsvollzieherin wurde beauftragt, Außenstände einzutreiben.

Um sie davon abzuhalten, schickte der 43-Jährige mehrere Briefe an die Frau. Sie sei nicht legitimiert, bei der Firma zu kassieren, so der Wortlaut. Außerdem wurde ihr mit Schadenersatz gedroht, einmal in Höhe von fünf, ein anderes Mal von sieben Millionen. Die Vorlage für diese Briefe habe er sich von Websites der "Reichsbürger" herunterkopiert, gab der Angeklagte zu. Er beteuerte aber, dass er mit dem Weltbild der "Reichsbürger", die der Überzeugung sind, dass die Bundesrepublik kein echter Staat sei, nichts zu tun habe. Er habe die bedrohlich wirkenden Schreiben benutzen wollen, um die Gerichtsvollzieherin von seinem Fall abzubringen - ohne Erfolg.

Darum ging der 43-Jährige einen Schritt weiter. Er eröffnete ein Firmenkonto im Namen seiner Freundin und versuchte, auf dieses mittels einer Online-Banking-Lastschrift vom Dienstkonto der Gerichtsvollzieherin Geld überweisen zu lassen. Zwei Mal innerhalb einer Woche hätten jeweils 50 000 Euro transferiert werden sollen - die Bank hatte das Geld aber jedes Mal kurze Zeit später zurückgebucht, was aber nur einem glücklichen Zufall zu verdanken sei, so die Zeugin.

Zu dem Zeitpunkt habe es für das Dienstkonto einen Sperrvermerk gegeben, demnach waren keine Abbuchungen per Lastschrift möglich. Der Angeklagte sei nicht der erste gewesen, der auf die Idee mit der Abbuchung gekommen war. Ohne diesen Sperrvermerk hätte sie selbst bei der Bank eine Rückbuchung veranlassen müssen, der Angeklagte wäre kurzzeitig in den Besitz des Geldes gelangt.

Der Mann stellte die versuchte Abbuchung als weiteren Einschüchterungsversuch dar. Wie sein Anwalt erläuterte, habe der 43-Jährige gar nicht damit gerechnet, dass die Bank wirklich eine Lastschrift ausführt, ohne die Einwilligung der Kontoinhaberin einzuholen. Dass er sich "unmöglich benommen" habe, sei seinem Mandanten aber völlig klar, so der Advokat. Das bekräftigte der 43-Jährige, der sich bei der Zeugin entschuldigte, sie nahm an.

Die Reue des Angeklagten wertete das Gericht zu seinen Gunsten. Dass der versuchte Zugriff auf das Konto aber nur ein Versuch war, diese zu ärgern, glaubte Richterin Vera Hörauf nicht. Weil der Angeklagte bereits wegen Betruges vorbestraft ist, wurde er zu einer Haftstrafe von acht Monaten auf Bewährung verurteilt, dazu muss er 700 Euro an eine soziale Einrichtung spenden. Dass seine Freundin von den Taten gewusst oder sie gar unterstützt habe, sei ihr nicht nachzuweisen, sie wurde vom Vorwurf des Betruges und der Nötigung freigesprochen. Verurteilt wurde die 40-Jährige trotzdem: Sie wurde 2016 und 2017 zwölf Mal beim Schwarzfahren erwischt, dafür muss sie nun 1400 Euro zahlen.

© SZ vom 12.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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