Warteraum Asyl:Solidarität unter Ärzten

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Hilfsbereit: Der Zahnarzt Thomas Kronseder (li.) und sein früherer Kollege Hans Seeholzer (re.) beim Tag der offenen Tür im "Camp Shelterschleife" (Foto: Renate Schmidt)

Am Fliegerhorst kümmert sich ein kleines Team um die medizinische Versorgung. Die Devise ist klar: "So viel wie nötig, so wenig wie möglich."

Von Sebastian Fischer, Erding

Am Dienstagmorgen haben alle Ärzte im Landkreis Post bekommen: Einen Brief, in dem sie gefragt werden, ob sie bereit wären, bei der Behandlung von Flüchtlingen aus dem Warteraum Asyl am Fliegerhorst zu helfen. Victor Asamoah vom Deutschen Roten Kreuz (DRK), der leitende Arzt im "Camp Shelterschleife", glaubt die Antwort vieler Ärzte schon zu kennen. Er sitzt an einem seiner Arbeitsplätze in diesen Tagen, dem "Welcome-Zelt" des DRK, und sagt: "Das Interesse zur Unterstützung ist gigantisch."

Asamoah, 47, ist ein Arzt, dem im Gespräch gleich anzumerken ist, dass ihm die Arbeit mit Flüchtlingen wichtig ist: In den vergangenen Wochen hat er in München auch mal nachts am Bahnhof Suppen gekocht. Es ist ihm wichtig, dass die Flüchtlinge im Camp versorgt werden - einerseits. Andererseits hat er nur ein kleines Team um sich, einen Arzt und vier Krankenpflegekräfte, die neben dem ersten Check-up eine Basis-Versorgungsstation betreiben, eine Art Mini-Praxis. Die Flüchtlinge sollen ja in Erding möglichst nur wenige Stunden auf ihre Weiterverteilung warten. Weshalb Asamoah die Weisung hat, nach einem Kompromiss zu verfahren: "So viel wie nötig, so wenig wie möglich."

Doch auch für diesen Kompromiss braucht er Hilfe. Notfälle, so viel ist sicher, werden im Klinikum Erding behandelt. Darüber hinaus erwartet Asamoah Grenzfälle: "Wenn jemand humpelt und der Fuß schmerzt, er vielleicht gebrochen ist, können wir ihn eigentlich nicht weiterreisen lassen." Deshalb will er mit den Erdinger Ärzten zusammenarbeiten.

Elmar Gerhardinger klingt zuversichtlich, dass Asamoah diese Hilfe bekommen wird. Der Ärztesprecher im Landkreis hat den Brief an seine Kollegen am Montag verschickt, am Dienstag hatte er schon die erste positive Rückmeldung. "Wir sind noch in der Abstimmungsphase", betont er jedoch. Es sei nun erst einmal abzuwarten, wie viele und welche Behandlungen notwendig sein werden. Zwei verschiedene Bereiche sind denkbar: Zum einen solche Behandlungen, für die im Camp die Infrastruktur fehlt, die etwa Röntgenaufnahmen erfordern oder Augenuntersuchungen. Zum anderen solche, die von Allgemeinmedizinern erledigt werden können, um das Team des DRK im Camp zu entlasten. Asamoah hat bereits mit Gerhardinger gesprochen, auch beim Klinikum Erding hat er sich schon vorgestellt. Dort will man auf Nachfrage zu zukünftigen Kooperationen allerdings noch nichts sagen.

Asamoah erwartet vor allem internistischen Behandlungsbedarf. Wer die lange Flucht übersteht, sei in der Regel bei guter Gesundheit. Keineswegs würden die Menschen mit exotischen oder besonders gefährlichen Krankheiten eintreffen, sondern vielmehr unter dem kalten deutschen Herbst leiden und sich eine gewöhnliche Grippe einfangen. Mit einer Grippe wird er niemanden ins Krankenhaus oder zu den Erdinger Kollegen schicken. Das meiste wird in der nächsten Erstaufnahmeeinrichtung behandelt. Für Behandlungen im Camp will er sich auch mit der Bundeswehr abstimmen, mit "fähigen Ersthelfern" wie er sagt. Und wenn er tatsächlich Patienten an Erdinger Ärzte überweisen sollte, ist Asamoah eines besonders wichtig, er betont es mehrfach: "sozialverträgliche Lösungen". Kein Patient soll auf einen Termin warten, weil Flüchtlinge behandelt werden müssen. Einige Ärzte hätten ihm schon signalisiert, Sondersprechstunden einrichten zu können.

Asamoah hat Dienstnummern mit den zuständigen Ärzten im Klinikum ausgetauscht - am besten klappt vieles eben möglichst unkompliziert. Die offizielle Koordination obliegt dem Landratsamt, aber manche Ärztevereinigungen organisieren sich bereits. Zahnarzt Thomas Kronseder zum Beispiel war beim Tag der offenen Tür am Sonntag bei Asamoah zu Gast und hat die Aufgabe zur Koordinierung an seinen Vorgänger als Obmann der Erdinger Zahnärzte, Hans Seeholzer, 68, weitergegeben. Der erklärt, er werde angerufen, "sobald Not am Mann ist". Dann will er bei Bedarf Patienten den Praxen zuordnen, in denen ein Termin frei ist. Und er sagt: "Ich bin auch bereit, selbst reinzufahren ins Camp, um zu schauen, welche Behandlung es braucht."

© SZ vom 21.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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