Rieger-Orgel für St. Vinzenz:Schluss mit der Trickserei

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Die Rieger-Orgel in St. Vinzenz, Baujahr 1972, wurde von der Pfarrei vor drei Jahren in der Schweiz erworben. (Foto: Stephan Görlich)

Die Kirche St. Vinzenz hat eine neue gebrauchte Orgel, das Instrument stand zuvor in Bern. Der Kirchenmusiker Robert Grüner und der Sachverständige Wolfgang Kiechle sind sehr zufrieden

Von Katrin Fertl, Erding

Die katholische Kirche St. Vinzenz in Klettham hat eine neue Orgel - ein gebrauchtes Instrument aus Bern. Am Sonntag, 13. Januar, wird die Orgel während eines Festgottesdienstes um elf Uhr eingeweiht und das erste Mal zu hören sein. Danach, etwa um 12 Uhr, beginnt eine Matinee mit Orgelmusik, bei der Wolfgang Kiechle, ehemaliger Freisinger Dommusikdirektor und noch immer als Orgelsachverständiger aktiv, Informationen zur neuen Orgel gibt. Kiechle spielt auch schon während der Messe zur Einweihung des Instruments, nicht nur weil das in sein Aufgabengebiet fällt, sondern weil das "Ehrensache" ist, wie er sagt.

Während der Matinee nimmt sich Kiechle etwa eine halbe Stunde Zeit, um die neue Orgel zu erklären und einige Musikstücke zu spielen. Er will Stücke aussuchen, die dem neu angekommenen Instrument schmeicheln. Auf alle Fälle soll ein barockes Stück von Johann Sebastian Bach dabei sein, ein Stück von Joseph Haydn und etwas Modernes. Um sicher zu stellen, dass am Sonntag alles funktioniert, war Kiechle am Freitag noch einmal in St. Vinzenz, um die neue Orgel abzunehmen. Er ist schon jetzt begeistert. Die Orgel, ihr Klang, die ganze Situation sei viel besser, als es bisher war.

Die alte Orgel sei "eine Fehlkonstruktion", heißt es.

Als die alte Orgel 1966 nach dem Bau von St. Vinzenz in der Kirche installiert wurde, sei das eine Fehlkonstruktion des Architekten gewesen, sagt Kiechle. St. Vinzenz ist eine sehr schlichte Kirche, ein einfacher großer Hallenbau ohne eine traditionelle Orgelempore. Somit stellte sich die Frage, wo die Orgel platziert werden sollte. Sie bekam ihren Platz auf einem Betonpodest über dem Haupteingang. Doch der Spieltisch hatte dort keinen Platz und musste unten am Altar aufgestellt werden. Das war alles andere als eine optimale Lösung. Schon bald kamen weitere technische Probleme dazu. Der langjährige Kletthamer Kirchenmusiker Robert Grüner hat auf der nur noch teilweise funktionsfähigen Orgel jahrelang tricksen und beim Spielen auf manche Register verzichten müssen. Außerdem kaschierte er, dass einige Pedale nicht funktionierten, wie er selbst sagt.

Auf die notwendige Erneuerung der kaum brauchbaren Orgel wurde schon vor mehr als zwanzig Jahren hingewiesen. Doch alles was passierte, war, dass 1998 der Spieltisch ausgetauscht wurde. Erst ein erneutes Gutachten Kiechles vor gut zwei Jahren brachte wieder Bewegung in die Sache. Mehrere Orgelbaufirmen machten Angebote für eine Überholung des kaputten Instruments, auf die man jedoch in Klettham nicht einging. Durch die Angebote erfuhr Kirchenmusiker Robert Grüner allerdings auch von gebrauchten Orgeln - und wurde in Bern fündig.

Der Orgelbaumeister hat sie zwei Wochen lang gestimmt.

Es war es ein reiner Glücksfall, dass die Berner Orgel in St. Vinzenz geradezu ideal passt. Normalerweise müssen Orgeln auf die jeweilige Kirche zugeschnitten sein. Noch dazu war die Orgel aus Bern ein Instrument der renommierte Orgelbaufirma Rieger. Das österreichische Unternehmen baut seit 170 Jahren Orgeln, die in bedeutenden Kirchen und in den größten Konzertsälen der Welt zu finden sind. Im Wiener Konzerthaus und der Suntory Hall in Tokio genauso wie etwa im Regensburger Dom und im Freiburger Münster - und seit 1991 auch in der Erdinger Stadtpfarrkirche St. Johannes.

Die Rieger-Orgel in Bern stand zum Verkauf, da sich die dortige Kirchengemeinde aufgelöst hatte. Das Instrument ist noch voll funktionsfähig und wurde von der Meitinger Orgelbaufirma Weishaupt in 13 Wochen in ihre Einzelteile zerlegt, in die Werkstatt gebracht, dort überholt und in Klettham wieder aufgebaut. Die Orgel in St. Vinzenz neu zu intonieren, war dann Chefsache. Orgelbaumeister Andreas Kiss kam extra für zwei Wochen nach Erding, um jede einzelne Pfeife richtig einzustellen.

Für die mechanische Orgel aus Bern bezahlte die Kirchenstiftung St. Vinzenz 40 000 Euro. Hinzu kommen 60 000 Euro für den Transport, die Reparatur sowie den An- und Abbau. Robert Grüner sagt, dass das immer noch günstiger ist, als wenn man die alte Orgel komplett restauriert hätte. Denn das würde in die Hunderttausende gehen.

Die neue Orgel wurde in der rechten Seite des Altarraums aufgestellt und hat "eine langfristige Garantie, um zu musizieren", sagt Grüner. Aber auch mit der alten Orgel lässt sich noch etwas machen. Die zwölf besten Register sollen erhalten bleiben und mit der neuen Orgel verbunden werden. Durch das geplante Echowerk können die Instrumente gemeinsam oder gezielt getrennt gespielt werden. "Schön wäre es, wenn es bis Ende des Jahres klappt", sagt Grüner. "Es sollte nicht einfach in einen Dornröschenschlaf fallen." Die neue Orgel wurde bereits mit den passenden Kontaktstücken ausgestattet. Die alte Orgel kann jedoch erst verwendet werden, wenn genug Spenden zusammengekommen sind, um sie zu entkernen.

Dafür benötigt die Kirchenstiftung noch mal 70 000 Euro. Grüner hofft auch auf Spenden der öffentlichen Stellen. Wer möchte, kann auch Orgelpate werden. Dafür ist ein einmaliger Betrag von 100 Euro pro Pfeife nötig. Ab 500 Euro wird der Spender zum Paten eines ganzen Registers. Im Gegenzug erhalten die Orgelpaten eine Urkunde und werden in die Kirche eingeladen. Außerdem ist geplant, dass alle Orgelpaten in einer Tafel in der Kirche geehrt werden.

Für Robert Grüner, der seit 32 Jahren Orgel spielt, hat sich mit der neuen Orgel die Musizierpraxis verbessert. Durch den viel besseren Klang werde auch das musikalische Miteinander unterstrichen. Grüner liebt die Musik. "Es ist die Dankbarkeit, die Musik auf einzigartige Weise ausdrücken kann. Dankbarkeit", sagt er, "ist mehr gefragt denn je in unserer Zeit."

© SZ vom 12.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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