Renommierter Ausbildungsbetrieb:Wehmut am Fliegerhorst Erding

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Nach 61 Jahren wird an diesem Mittwoch die viel gerühmte Ausbildungswerkstatt geschlossen. Noch sind 14 Mitarbeiter da. Wo sie eine neue Arbeitsstelle bekommen, ist noch unklar

Von Philipp Schmitt, Erding

Eine Ära geht an diesem Mittwoch am Fliegerhorst Erding mit der Schließung der Ausbildungswerkstatt zu Ende: Die vor 61 Jahren im September 1960 gegründete Werkstatt hatte sich weit über die Region hinaus und nicht nur innerhalb der Luftwaffe wegen der hohen Qualität der Ausbildung und Vermittlung der Grundlagen der Flugzeugtechnik einen Namen gemacht. An diesem 30. Juni wird sie für immer geschlossen. "Da ist viel Wehmut und eine traurige Stimmung spürbar", sagte Franz Neumüller, der Leiter der Ausbildungswerkstatt. Das Stammpersonal ist bereits von 20 auf 14 Mitarbeiter reduziert worden und als Nachkommando bis zur besenreinen Schlüsselübergabe Ende des Jahres im Einsatz.

Die Schließung bringt Umbrüche und neue Herausforderungen mit sich. Derzeit werden adäquate neue Arbeitsplätze gesucht, denn keiner der Mitarbeiter wird wohl weiter als Ausbilder tätig sein. Die Ausbildungswerkstatt war einer der wichtigsten Ausbildungsbetriebe im Landkreis: "In den 61 Jahren wurden 1881 junge Leute zu Facharbeitern ausgebildet. Es tut schon weh, wenn die Ausbildung nun offiziell eingestellt und die Werkstatt aufgelöst wird. Aber ich habe die Weisung des Ministeriums dazu auf dem Tisch", sagte Neumüller, der vor ein paar Tagen 61. Geburtstag feierte und damit genau so alt ist wie der Ausbildungsbetrieb. Mehr als sein halbes Leben lang - 37 Jahre - hat der Langenpreisinger die Entwicklung mit geprägt und mehr als tausend Absolventen erlebt.

Zunächst war er Stellvertreter von Martin Deutinger, bevor er 2014 als letzter Chef die Leitung übernahm. Lange war nach der Entscheidung 2011 zur Auflösung des Fliegerhorstes um das Fortbestehen der Talentschmiede gerungen worden. Die kürzlich im Kasino des Fliegerhorstes verabschiedete letzte Gruppe von Facharbeitern durfte vor mehr als drei Jahren die Ausbildung noch beginnen, was damals nicht selbstverständlich war. Seit einigen Monaten laufen die Vorbereitungen zur Auflösung nun aber auf Hochtouren.

Maschinen, Flugzeuge und Hubschrauber wurden bereits quer durch Deutschland zu Ausbildungswerkstätten unter anderem nach Berlin und Hannover transportiert. Zwei Tornado-Kampfflugzeuge mussten dafür so demontiert werden, dass die Teile auf Straßen transportiert und dann wieder zusammengebastelt werden konnten. Die beiden Tornados stehen nun in der Nähe von Hannover. Die Ausbildungsflugzeuge aus Erding stehen in Werkstätten der Bundeswehr in der Nähe von Berlin an der Brandenburgischen Grenze, wo wie früher in Erding Fluggerätemechaniker Fachgebiet Instandhaltung ausgebildet werden sollen. Ein modernes Tornadotriebwerk aus Erding hat ebenfalls einen neuen Standort gefunden.

Die Werkstatt war eine Einheit des Waffensystemunterstützungs-Zentrums. (Foto: Stephan Goerlich)

"Unsere Hallen sind jetzt zu 80 bis 90 Prozent leer, die meisten Geräte sind schon weg", sagte Neumüller. Intakte Dreh- und Fräsmaschinen und Ausbildungsexponate sind in anderen Werkstätten oder seltene Stücke in der neuen militärgeschichtlichen Sammlung in Manching gelandet oder verkauft worden. Was nicht mehr gebraucht wird und nicht verkauft werden kann, kommt am Fliegerhorst in einem Container und beim Schrotthändler in der Presse.

Die 14 Ausbilder werden als Nachkommando bis zur Schlüsselübergabe am 31. Dezember "die Hallen noch besenrein machen". Einige der hochqualifizierten Mitarbeiter werden wohl vielfältige neue Aufgaben von der Bundeswehr erhalten und vielleicht schon vor Jahresende die Jobs wechseln. Derzeit ist aber vor allem Wehmut spürbar. Viele Mitarbeiter haben sich mit der Werkstatt identifiziert. Perspektiven könnte das Wehrwissenschaftliche Institut für Werk- und Betriebsstoffe (Wiweb) bieten, das ausgebaut wird und in Erding bleibt. Es gab dort bereits erste Probearbeitstage für einige Ausbilder.

Die berufliche Zukunft der Mitarbeiter liegt Neumüller besonders am Herzen, wie er sagt. Die Bundeswehr als Arbeitgeber suche nach adäquaten Jobs in der Nähe und prüfe Optionen. Bei älteren Mitarbeitern könnten Härtefallregelungen und ein vorzeitiger Ruhestand in Frage kommen. "Derzeit gibt es noch viele offene Fragen." Die noch 14 Mitarbeiter des Ausbildungswerkstatt sollen sukzessive an neue "heimatnahe Arbeitsplätze mit hoher Wahrscheinlichkeit in Erding" wechseln. Ob das vollständig gelinge, wisse er nicht, sagte Neumüller. Das Ausbilder-Team werde bis Jahresende die "militärische Organisationsweisung des Ministerium" umsetzen und die Hallen leer räumen. "Dann ist das Kapitel geschlossen." Dann erfolgt die Schlüsselübergabe der Hallen und Unterkünfte an das Bundeswehrdienstleistungszentrum.

Das Wappen des Waffensystemunterstützungs-Zentrums 1 prangt noch am Gebäude des Lehrdocks. (Foto: Stephan Goerlich)

Von den letzten für die Erdinger Ausbildungswerkstatt zuständigen Kommandeuren Oberst Stefan Schmid-Schickardt und seinem Nachfolger Oberst Christian Lörch gab es für die in Erding bei der Ausbildung des Nachwuchses geleistete Arbeit und das Engagement von Franz Neumüller und seinem Team viel Lob. In Erding sei jahrzehntelang hochprofessionell gearbeitet worden, hieß es. Oberst Lörch war bei der letzten Freisprechungsfeier am 11. Juni im Kasino des Fliegerhorstes zu Gast, ebenso wie Vertreter der Berufsschule Erding und des Bundeswehrdienstleistungszentrums. Lörch zollte den Absolventen und Ausbildern Anerkennung für ihre Leistungen. "Mir ist da mit tiefer Wehmut klar und bewusst geworden, dass es die letzte Freisprechungsfeier und der letzte offizielle Akt war, wo die Arbeit der Ausbildungswerkstatt noch einmal nach außen getragen wurde. Diese Zeit nun vorbei ist", sagte Neumüller dazu.

Trotz des schönen Sommertages sei bei ihm und den Ausbildern eine traurige Stimmung spürbar gewesen, einige mussten Tränen unterdrücken. Nach der Entscheidung 2011 zur Auflösung des Erdinger Standorts hatte vor einigen Jahren der frühere Berufsschulleiter und frühere Stadtrat Josef Biller (CSU) eine Initiative für den Erhalt der Ausbildung in Erding in einer anderen Form gestartet, zum Beispiel in einer Kooperation mit Firmen. Mit seinem Nachfolger Dieter Link hatte er vor dem Fachkräftemangel in der Flughafenregion in diesem Sektor gewarnt. Es gab Gespräche am runden Tisch: Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) hatte darum geworben, den Erfahrungsschatz der Ausbildungswerkstatt in Erding zu erhalten. Auch der damalige Bundestagsabgeordnete Ewald Schurer (SPD) setzte sich vor Jahren beim Bundesverteidigungsministerium für den Fortbestand der Ausbildungswerkstatt Erding ein. Die Ausbildung wurde trotz einiger kritischer Stimmen noch einmal bis 2021 gestreckt. Seit dem 30. Juni ist das aber nur noch Geschichte, die viel gerühmte Ausbildungswerkstatt Erding im Fliegerhorst ist aufgelöst und gibt es nicht mehr.

© SZ vom 30.06.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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