Rätselraten um Frauenporträt:Die Köpfe sind gerettet

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Vor Abbruch der Fehlbachbrücke hat die Stadt Kopien der beiden seitlichen Reliefs machen lassen. Sie lagern jetzt im Bauhof und das Museum Erding würde sie gerne in einer Dauerausstellung zeigen

Von Regina Bluhme, Erding

Nahezu 100 Jahre lang befanden sich an der Fehlbachbrücke zwei Steinköpfe. Auf der einen Seite schaute der Gießereibesitzer Anton Josef Bachmair bachaufwärts, die Frau ihm gegenüber bachabwärts. Bevor die Brücke 2017 abgerissen wurde, hat die Stadt Abdrücke der beiden Reliefs machen lassen. Jetzt lagern die Repliken im Bauhof. Auch die Originale konnten in Einzelteilen gerettet werden. Noch ist ungeklärt, wo die Stücke einmal dauerhaft bleiben werden. Und noch eine Frage steht im Raum: Wer ist eigentlich die Frau? Die Gattin von Bachmair? Oder doch das Hupfer Annerl, wie ihr Enkel überzeugt ist.

1920 hatte ein verheerendes Hochwasser Erding heimgesucht und die alte Brücke über den Fehlbach zerstört. An dem neuen Brückenbauwerk wurden wenig später die beiden circa 40 Zentimeter großen Halbreliefs angebracht. Recht interessiert hat sich anschließend niemand mehr für die Köpfe, seit Jahren waren sie ziemlich vermoost und von Rissen durchzogen. Erst als die Brücke abgebrochen und einem Neubau weichen musste, rückten sie plötzlich ins Interesse.

Von Ähren umkränzt: Ein Indiz dafür, dass es sich bei dem weiblichen Kopf um die Tochter eines Getreidehändlers handelt. Bis die Steinköpfe und ihre Abgüsse einen endgültigen Platz gefunden haben, wird es bestimmt länger dauern. (Foto: Renate Schmidt)

Dass der männliche Kopf Anton Josef Bachmair zuzuordnen ist, darüber herrscht kein Zweifel. Er lebte von 1851 bis 1925 in Erding und war Besitzer einer Glockengießerei direkt neben der Brücke. Sein Kopf, der von den Werkzeugen Hammer und Zange umrahmt ist, blickt genau in Richtung des ehemaligen Betriebsgeländes, das mittlerweile abgerissen worden ist.

Der hübsche Frauenkopf wiederum ist von Ähren umkränzt. Das wäre ein Indiz, dass es sich hier um Anna, verheiratete Beierl, geborene Hupfer, handelt, die Tochter eines Getreidehändlers. Landwirt Benedikt Beierl aus Altham jedenfalls ist überzeugt, dass das Relief seine Großmutter zeigt. Am Stammtisch hätten ihn drei "alte Erdinger" darauf aufmerksam gemacht. Sebastian Hupfer, der Großneffe des Hupfer Annerls, ist davon ebenfalls überzeugt. Das Elternhaus von Anna stand ganz in der Nähe der Glockengießerei und der Brücke. Er verweist zudem auf ein Foto der Großtante, das die Ähnlichkeit mit dem Relief sehr deutlich belege. Beierl und Hupfer sind sich sicher, dass Anna Beierl für den Frauenkopf Modell gestanden hat.

Bei der Stadt Erding, in deren Besitz sich Originale und Abgüsse der Brückenköpfe befinden, hält man sich indes bedeckt. Pressesprecher Christian Wanninger hat bei Stadtarchivar Markus Hiermer nachgefragt. Dieser habe keinerlei schriftliche Unterlagen darüber gefunden, um wen es sich bei der Frau von der Brücke handeln könnten, berichtet Wanninger. "Eine spannende Forschungsarbeit" zu dem Thema erwartet sich nun Harald Krause, Leiter des Museums Erding. Auch er will sich nicht festlegen, "denn wir sind ja noch ganz am Anfang". Allerdings argumentiere Beierl schon sehr überzeugend.

Kein Zweifel: Der männliche Kopf ist Anton Josef Bachmair zuzuordnen. Die Steinköpfe lagern derzeit sicher und in mehreren Schichten verpackt auf einer Palette im Bauhof. (Foto: Renate Schmidt)

Nach Ansicht von Krause stellen die beiden Reliefs ein "interessantes kunsthistorisches Zeugnis" dar. Geschaffen wurden sie von Max Westner junior, geboren 1892 in Erding und Sohn eines Schäfflermeisters. Laut Krause hat Westner mit 22 Jahren die Kunstakademie München besucht und im Anschluss als Bildhauer gearbeitet. Von Westner sei nicht viel bekannt, "darum war uns wichtig, die beiden Köpfe beim Abbruch der Brücke irgendwie zu retten", erklärt Krause. Wobei auch Benedikt Beierl öffentlich gefordert hatte, dass die Reliefs unbedingt erhalten bleiben müssten.

Anfangs war nicht klar, in welchem Zustand die Brückenköpfe den Abbruch überstehen würden. Deswegen hatte die Stadt zuvor Silikonabgüsse machen lassen und dann die Köpfe als Repliken in Beton gegossen. Jetzt stellte sich heraus, dass die Originale nicht wie befürchtet zerbröselten, sondern in mehrere größere Teile zerbrochen und wohl doch irgendwie zu retten sind.

Der Leiter des Museums Erding verhehlt nicht, dass er die Köpfe gerne in seinem Haus präsentieren möchte,am liebsten in einer Dauerausstellung. Er wolle aber nicht vorgreifen, noch sei die Stadt in der Ideenphase, betont Krause. Auch Benedikt Beierl wäre zumindest an dem Frauenkopf interessiert. Auf seinem Grundstück gäbe es sogar eine Brücke, an der er das Relief anbringen könnte.

Sicher ist, dass die Steinköpfe nicht die neuerbaute Fehlbachbrücke schmücken werden. Sobald das Bauwerk an der Freisinger Straße fertiggestellt ist, wird darauf ein modernes Kunstwerk errichtet. Christian Hinz aus München hat den stilisierten "Glockenturm" geschaffen, dessen dünne Messingstäbe die Silhouette einer Glocke nachzeichnen. Dort sollen später die Erdinger Vorhängeschlösser mit persönlichen Gravuren einhängen können, allerdings nur in Absprache mit der Stadt.

© SZ vom 20.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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