Radkonzept:Geduldsprobe

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An der Alten Römerstraße laufen die Bauarbeiten für einen Fahrradstreifen stadteinwärts schon. (Foto: Renate Schmidt)

Radfahrer sollen in Erding sicherer unterwegs sein, die Alten Römerstraße wird bereits umgebaut. Das könnte alles viel schneller gehen, findet der ADFC. Stimmt, im Rathaus gibt es ein Vakuum

Von Mathias Weber, Erding

Zweimal in seinem Leben, sagt Horst Weise, hatte er als Fahrradfahrer einen Unfall mit einem Auto. Einer ist ihm in diesem Sommer passiert, an der Bahnhofskreuzung in der Dorfener Straße in Erding beim Vermessungsamt. Weise, der Kreisvorsitzende des Allgemeinden Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC), wollte mit seinem Rad aus der Innenstadt kommend geradeaus fahren. Eine Autofahrerin kam aus Richtung des Kinos und wollte links zum Bahnhof. Sie übersah Weise und fuhr ihn an. Zwei Beckenbrüche hat sich der 69-Jährige zugezogen. Ihn ärgert, dass die Autofahrerin nicht aufgepasst hat. Für den Fahrrad-Lobbyisten ist der Unfall auch eine Bestätigung dafür, dass es mit dem Fahrradverkehr in Erding nicht so gut bestellt ist. Eine Abstellmöglichkeit vor den Autos für die Radfahrer hätte in diesem Fall vielleicht geholfen, denkt er.

Die Fahrradsaison war für Weise natürlich gelaufen, gerade erst hat er sich von den Brüchen erholt und sich ein neues Fahrrad zugelegt. Aber auch für die meisten anderen Radfahrer ist die Saison spätestens mit dem ersten Schnee vorbei. Zeit, zurückzublicken auf das Fahrradjahr 2016, ein Jahr, in dem sich baulich in der Großen Kreisstadt kaum etwas getan hat und das im Herbst noch von einem kleinen Eklat zwischen der Polizei und dem ADFC geprägt war. Baulich habe sich für Fahrradfahrer in Erding wenig getan, bedauert Horst Weise. Keine Überraschung: Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) hat immer wieder gesagt, dass Schutzstreifen oder Fahrradwegen an den Hauptverkehrsrouten nur dann eingerichtet werden, wenn die jeweilige Straße eh saniert wird. Daran erinnert auch Christian Wanninger, Pressesprecher der Stadt Erding. Im Zuge ihrer Sanierung wurde 2013 zum Beispiel die Dorfener Straße fit für den Fahrradverkehr gemacht. Dort lässt es sich jetzt bequem am Kino vorbei in die Innenstadt radeln - bis zur Kreuzung mit der Straße Am Bahnhof, dann wird es eng. Im Radverkehrskonzept der Stadt Erding, 2013 vorgestellt, waren mehrere "kritische Strecken" benannt, bei denen es häufig zu Unfällen kommt. Von diesen Strecken wurde bisher nur die Dorfener Straße als eine dieser kritischen Strecken entschärft. Zwei weitere sind in Arbeit: In der Alten Römerstraße laufen die Bauarbeiten schon, die wichtige Verbindungsstraße nach Langengeisling wird bald Fahrradstreifen bekommen, Parkplätze werden wegfallen. Und in der kommenden Sitzung des Verkehrsausschusses in der nächsten Woche wird das Stadtbauamt den Stadträten die Pläne für die Umgestaltung der Freisinger Straße vorstellen, die zentrale Zufahrt in die Altstadt aus Nordwesten. Auch dort soll es dann Radstreifen geben, wie Wanninger sagt. Ein Zeitplan für die Umgestaltung ist noch nicht bekannt.

Ansonsten darbt die Entwicklung des Fahrradverkehrs in der Stadtverwaltung. Die Stelle von Karin Hatt, die sich im Rahmen der Stadtentwicklung auch um den Fahrradverkehr kümmerte und als inoffizielle Ansprechpartnerin des ADFC galt, ist nach wie vor vakant. Derzeit wird ein Nachfolger gesucht, der dieses Sachgebiet übernehmen kann. Das bedeutet, dass auch Vorhaben wie die Mitgliedschaft der Stadt Erding bei der Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundliche Kommunen in Bayern (AGFK) "auf Eis liegen", wie Wanninger sagt. Dass Erding dieser Arbeitsgemeinschaft beitreten will, hat der Stadtrat schon 2013 beschlossen. Die Mitgliedschaft, so Wanninger, strebe man weiterhin an.

Keine großen Bauvorhaben also, allenfalls Kleinigkeiten hat Horst Weise vom ADFC registriert, etwa eine neue Tempo-30-Zone bei St. Paul. Aber auch kleinere Verschlechterungen gibt es seiner Meinung nach: etwa in der Bahnhofstraße in Altenerding, wo man jetzt plötzlich von der Therme kommend an der Schranke die Straße überqueren müsse, weil der gemeinsame Rad- und Fußweg zu einem reinen Fußweg werde - von heute auf morgen. Da wünscht sich Weise eine bessere Kommunikation der Stadt. Er verweist auch auf den Gefahrenstellenatlas des ADFC im Internet. Die Gefahrenstellen, meiste kleine, überschaubare Problemstellen, seien sogar mehr geworden im Vergleich zum Vorjahr. Dass es immer wieder zwischen Fahrradfahrern und Autos zu gefährlichen Situationen kommt, hat auch Erdings Polizeichef Anton Altmann bestätigt. Einen generellen Schwerpunkt an Fahrradunfällen aber gäbe es nicht. Auch zwischenmenschlich ist eine Problemstelle aufgetreten. Der ADFC hat kürzlich sehr überraschend die Zusammenarbeit mit der Erdinger Polizei aufgekündigt. Anlass war eine Aktion der Polizei, bei der Fahrradfahrer kontrolliert wurden - nicht an bekannten Gefahrenstellen, sondern im Innenstadtbereich, etwa am Schrannenplatz. Das empfand der ADFC als Schikane. Die jährliche Beleuchtungsaktion des ADFC im Herbst fand in diesem Jahr ohne die Polizei statt. Oberbürgermeister Gotz und Polizeichef Altmann reagierten gelassen, aber jetzt herrscht erst einmal dicke Luft. Horst Weise ist gespannt auf den nächsten Dialog zwischen der Stadt und dem ADFC. Derzeit herrsche "kein Miteinander".

© SZ vom 12.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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