Psychotischer Zustand:Haft für Steinewerfer

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Landgericht erkennt Tötungsabsicht bei Flüchtling

Von Florian Tempel, Erding

Der psychisch kranke Flüchtling, der Ende Dezember 2015 in Taufkirchen einen schweren Stein gegen die Windschutzscheibe eines vorbeifahrenden Autos geworfen hat, ist wegen versuchten Mordes zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. Für die erste Strafkammer des Landgerichts Landshut stand außer Frage, dass der 25-jährige Angeklagte in Tötungsabsicht und heimtückisch gehandelt hatte. Da der Stein von der Scheibe abprallte und nur wenig passierte und der Angeklagte sich laut Auskunft seiner Ärztin in einem akuten psychotischen Zustand befand, setzte das Gericht eine milde Ahndung für einen so gravierenden Vorwurf fest. Auch der Staatsanwalt hatte mit vier Jahren Freiheitsentzug kaum mehr beantragt. Die zwei Verteidiger verneinten in ihren Plädoyers, dass ihrem Mandanten eine Tötungsabsicht nachgewiesen sei, und forderten eine Bewährungsstrafe wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr.

Die sonderbare Tat ereignete sich am Morgen des 29. Dezember 2015. Der Angeklagte, der sich seit einigen Tagen in der psychiatrischen Klinik in Taufkirchen zur Behandlung befunden und erstmals Ausgang bekommen hatte, stand in der Ortsmitte am Straßenrand der B15. Drei Zeugen sagten vor Gericht, dass er gegen 8.50 Uhr mit aller Kraft einen Stein gegen ein Auto geworfen hatte. Mit dem 636 Gramm schweren Brocken traf er einen Kleintransporter, in dem ein Pärchen aus Serbien saß, das auf der Durchreise war. Die Windschutzscheibe brach an, ging aber nicht zu Bruch. Die 44 Jahre alte Frau auf dem Beifahrersitz erlitt einen Schock, blieb aber sonst unversehrt. Der 46-jährige Fahrer zeigte nach dem Aufprall des Steins starke Nerven. Während seine Beifahrerin zu Tode erschreckt laut schrie, lenkte er ganz ruhig sein Fahrzeug etwa 50 Meter weiter auf einen Parkplatz. Die Frau, die schon vor dem Vorfall wiederkehrende Angstzuständen hatte, bekundete vor Gericht, dass sie noch lange unter dem Erlebnis gelitten haben. Sie habe Medikamente nehmen müssen, um überhaupt noch Schlaf zu finden.

Der Vorsitzende Richter Markus Kring erklärte, dass das Gericht sich in der Bewertung des Falls einig gewesen sei. Dass der Angeklagte, der im Prozess keine Angaben machte, eine Tötungsabsicht gehabt habe, sei zweifellos klar. Er habe zwar nicht ein bestimmten Menschen töten wollen. Doch wer einen so schweren Stein mit voller Wucht gegen die Windschutzscheibe eines fahrenden Autos werfe, nehme den Tod eines oder mehrere Menschen in Kauf. Man habe es also mit einem "klassischen Fall" des bedingten Vorsatzes zu tun. Der Angeklagte war, wie seine Ärztin bekundet hatte, auch nicht so sehr im Wahn, dass er nicht mehr wusste, was er tat.

Nur eine Stunde nach dem Vorfall, als er von der Polizei in die Taufkirchener Klinik zurück gebracht worden war, hatte der Angeklagte der Ärztin gesagt, dass er einen Unfall verursachen wollte. Er habe Menschen verletzen wollen, und wenn sie gestorben wären, wäre ihm auch das recht gewesen. Als Motiv gab er an, durch eine solche Tat werde deutlich, dass er psychisch krank sei, er werde dadurch seine Chancen auf Asyl in Deutschland erhöhen. Das waren irrige Annahmen, die nach Ansicht des Gerichts durch seine psychische Erkrankung zu erklären seien. Normalerweise wäre eine Verurteilung zu dreieinhalb Jahren wegen eines Gewaltverbrechens nun ein Grund für eine schnelle Abschiebung. Tatsächlich kann der Angeklagte aber aktuell nicht abgeschoben werden - nicht weil er krank ist, sondern weil in der Gegend um Mossul, wo der Angeklagte herkommt, Krieg herrscht.

© SZ vom 02.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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