Prozess vor dem Landgericht:Mordlust im Morgengrauen

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45-Jähriger überfährt seine Ex-Frau zweimal mit dem Auto

Von Korbinian Eisenberger, München/Kirchseeon

Es ist 4.37 Uhr, als Anna M. das Haus verlässt. Sie geht zur Arbeit, ein früher Morgen im Juni 2017. Im diesem Moment geht vor dem Haus ein Motor an. Im Auto sitzt der frühere Ehemann M.s. Er wartet kurz und fährt sie dann von hinten um. Durch die Wucht des Aufpralls zerspringt die Windschutzscheibe. Die Frau, mit der der Fahrer 13 Jahre verheiratet war, fällt in den Straßengraben. Sie lebt noch, da kommt das Auto ein zweites Mal auf sie zu.

Die Anklageschrift liest sich wie die Szene aus einem Horrorfilm. Was seit Freitag vor dem Landgericht in München verhandelt wird, ist jedoch wirklich passiert. Der Angeklagte, ein 45-jähriger Mann aus dem Landkreis Freising, soll einen Mordanschlag auf seine Ex-Frau verübt haben. Mit dem Auto und mit einem Werkzeug. Passiert ist das in Kirchseeon im Landkreis Ebersberg. Der Angeklagte sitzt vor seinem Verteidiger, er lässt das Blitzlichtgewitter über sich ergehen. Es tue ihm leid, sagt er. Dann räumt er die Tat ein. Er sei "wahrscheinlich im zweiten Gang gefahren", erklärt er. Beim Aufprall fuhr er mehr als 30 Stundenkilometer. Sein Opfer kann nach dem ersten Aufprall nicht mehr aufstehen, es gelingt Anna M. aber, ein Auto anzuhalten. M., die eigentlich anders heißt, bittet den Fahrer um Hilfe, doch der hilft nicht, sondern fährt weiter.

M.s Ex-Mann hat nun freie Bahn, er fährt wieder auf sie zu, M. springt weg und wird an der Seite erfasst. Die Autotür geht auf, er hat jetzt etwas in der Hand, die Staatsanwaltschaft spricht von einem Vorschlaghammer, der Angeklagte von einem Hammerstiel aus Plastik. Mit dem Werkzeug schlägt er auf sein Opfer ein. Der Angeklagte räumt alles ein, nur nicht den Vorschlaghammer.

Das Drama hätte womöglich ein schlimmeres Ende genommen, wäre in diesem Moment nicht Peter Z. mit seinem Lkw vorbeigekommen. M. gelingt es jetzt, sich loszureißen und die Beifahrertür des Lkw zu öffnen. Der Angreifer lässt jetzt von ihr ab und flüchtet mit seinem Auto. Wenig später stellt er sich der Polizei. Wie kann es zwischen Menschen so weit kommen?

Der Angeklagte gibt an, dass er in ganz anderer Absicht zu seiner Ex-Frau gefahren sei. Sie habe ihm den Kontakt zum Sohn verweigert. "Ich wollte eine Erklärung von ihr", sagt er. Und dann? "Ich weiß nicht, was in meinem Kopf vorging." Der Richter wirkt wenig überzeugt. Der Angeklagte habe M. mehrmals mit dem Tod bedroht, teilweise mit makaberen Szenarien. "Sie haben die Frau einfach umgemäht."

Es geht um die Frage, ob die Aktion geplant war oder ob sie spontan geschah. Im Prozess wird deutlich, dass der Angeklagte zur Tat unter starkem Alkoholeinfluss stand. Es wird aber auch deutlich, dass der Anschlag eine lange Vorgeschichte hat. Dazu gehört, dass der Angeklagte massive Alkoholprobleme hatte, starker Raucher war und Drogen nahm. Im Familienleben, das Paar hat zwei Kinder, kam es zu tätlichen Auseinandersetzungen. Der Angeklagte räumt ein, dass er Frau und Tochter geschlagen habe. Vor vielen Jahren habe ihm seine Frau im Streit einmal ein Messer in den Rücken gerammt.

Es geht um Sucht, aber auch um Eifersucht. Anna M. berichtet von Affären ihres Mannes und dass Eifersucht Konflikte auslöste. Sie widerspricht der Geschichte, wonach sie ihm den Kontakt zum Sohn verwehrt habe. Sie beschreibt ihren Ex-Ehemann als gewalttätig. "Er ließ mich nicht zur Arbeit gehen, weil dort andere Männer waren", sagt sie. Die Ehe sei oft "wie Terror" für sie gewesen. In den kommenden Wochen muss das Schöffengericht klären, ob die Tat vorsätzlich war oder im Affekt geschah. Das Landgericht München hat vier weitere Verhandlungstage angesetzt. Weiter geht es am Dienstag, 15. Mai.

© SZ vom 12.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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