Premie am Donnerstag:Komisch bis brutal

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Die Volksspielgruppe Altenerding bringt im Freilichtmuseum "Madam Bäurin" nach Lena Christ auf die Bühne. Die Inszenierung zeigt einen unverkitschten Blick auf das bäuerliche Leben anno dazumal

Von Regina Bluhme, Erding

"Brille runter!", ruft Regisseurin Renate Eßbaumer der Waschfrau zu. Schnell steckt die Schauspielerin die Gläser weg, und bald sind auch die bunten Haarsträhnen unter einem Kopftuch verschwunden. Es ist eine der letzten Proben der Volksspielgruppe Altenerding vor der Premiere des Stücks "Madam Bäurin", das um die Jahrhundertwende spielt. Der Blick fürs Detail, die Spielfreude der Darsteller und nicht zuletzt die großartige Kulisse des Bauernhofmuseums Erding katapultieren die Besucher in eine längst vergangene bäuerliche Welt, in der es lustig und komisch, zuweilen auch derb und brutal zugeht. An diesem Donnerstagabend findet die erste Aufführung statt, dank der überdachten Tribüne auch bei Regen.

Es soll schon authentisch sein.

Eine Brille für eine einfache Bauernmagd, das war um die Jahrhundertwende nicht drin, weiß Renate Eßbaumer. Also hat die Brille nichts auf der Bühne verloren. "Es soll schon authentisch sein." Ebenfalls ganz klar verboten: Turnschuhe und Kaugummi . "Manchmal kann ich richtig ekelhaft sein", verrät die Regisseurin und lächelt. Seit zehn Jahren sorgt sie zusammen mit Manuela Schieder für die Inszenierungen der Volksspielgruppe Altenerding. Diesmal ist es "Madam Bäurin" nach dem 1919 erschienen Roman von Lena Christ.

Das Stück handelt von der jungen Rosalie (Katrin Herold), die mit ihrer Mutter, der vornehmen Rätin von Scheuflein (Regina Mühlbauer), die Ferien auf dem Lande verbringt. Sie wohnen auf dem Hof der Eheleute Schiermoser (Gerhard Zech und Anneliese Adelsperger), die im Grunde von den Städtern nicht viel halten, aber deren Geld gut brauchen können. Als sich Rosalie in den Hoferben Franz (Markus Fruhmann) verliebt, sind beide Mütter außer sich. Noch dazu soll Rosalie demnächst den wohlhabenden Assessor von Rödern (Reinhold Neugebauer) heiraten. An diesem Probentag ist Renate Eßbaumer eine der wenigen, die in Jeans und T-Shirt herumläuft. Hinter und vor der Bühne sind Frauen in langen hellen Leinenkleidern, Schürzen und Kopftuch oder Hauben anzutreffen, Männer tragen Hemden und Stoffhosen oder einen schwarzen Anzug und Zylinder, auch ein paar Offiziere in blauer Uniform und Pickelhaube sind unterwegs sowie drei feine Damen mit langen Seidenkostümen, Spitzenschirmen und Hütchen.

Der Herr Pfarrer muss lauter sprechen.

Die Bühne ist zwischen zwei historischen Bauernhäusern aufgebaut und wirkt wie ein übergroßer Schuhkarton, in den ein fleißiger Bastler zwei Zimmer hinein gebaut hat. Links befindet sich die Küche mit einem alten Holzofen, den Emailpfannen auf dem Herd, tönernen Krügen und Bierseideln aufgereiht an der Wand und einem beeindruckenden Herrgottswinkel. Nebenan in der guten Stube hängt hinter einem gestreiften Sofa ein Ölschinken an der Wand. Dieses Zimmer wird in einer späteren Szene in das Schlafzimmer für die Sommerfrischler verwandelt.

Der Text sitzt bestens, nur mit dem Auf- und Abbau klappt es bei der Probe noch nicht so ganz. Als sich Hauptdarstellerin Katrin Herold laut Drehbuch die Hände waschen will, stellt sich heraus, dass die Waschschüssel aus Porzellan noch nicht ihren Weg auf die Bühne gefunden hat. "Deswegen proben wir ja, damit es mit den Auf- und Abgängen und dem Aufbauen klappt", erklärt Eßbaumer. Es ist ein ständiges Kommen und Gehen, und Eßbaumer schaut ganz genau hin. Mal muss der junge Knecht schneller nach links ab, mal muss der Herr Pfarrer lauter sprechen.

Die Teneriffa Tanzlmusi ist mit von der Partie.

Es macht Spaß, den 40 Schauspielern zuzusehen, wie die Knechte, Mägde oder die alte Schiermoserin in derbem Dialekt vor sich hin schimpfen und über die "blede Stadtschäsen" und "den Hundling" herziehen. Es gibt aber auch ernste Momente. Zum Beispiel als Vater Schiermoser eine Magd den Offizieren überlässt, um Franz vor dem Militärdienst zu schützen. Zu sehen ist die Vergewaltigungsszene nicht, aber die verzweifelten Schreie des Mädchens sind beklemmend.

Bei der Probe sitzt auch Robert Harreiner auf der Zuschauertribüne. Harreiner sorgt mit der "Teneriffa Tanzlmusi" im Rahmenprogramm für Bayerische Blas- und Tanzmusik. Mit ihm kommen auch Goaßlschnalzer, Schuhplattler und Tanzpaare. Er schaut sich um, wo er seine Leute am besten postieren kann. Die Teneriffa Tanzlmusi ist auch beim Jahrmarkttreiben der "Madam Bäurin" dabei, das heuer anstelle einer Pause stattfindet. Die Besucher können sich an Ständen stärken, einen Muskelmann mit Gewichtstange bewundern, am Stand der "Blechernen Gschirrfrau" oder der Lebzelterin vorbeiflanieren, dem Moriatensänger zuhören oder eine Wahrsagerin besuchen. Jetzt muss nur noch das Wetter einigermaßen mitspielen. Dank der überdachten Tribüne sitzen die Zuschauer aber auch bei Regen im Trockenen.

Restkarten vorhanden!

Premiere von "Madam Bäurin" ist heute, Donnerstag, im Bauernhausmuseum. Weitere Termine sind: 30. Juni, 1. Juli, 7. Juli, 8. Juli, 14. Juli, 15. Juli, 21. Juli und 22. Juli sowie die Zusatzveranstaltung am 13. Juli. Einlass ist ab 18 Uhr, das Rahmenprogramm startet um 18.30 Uhr, Vorstellungsbeginn ist um 20 Uhr. Für einzelne Vorstellungen gibt es noch Restkarten bei der Stadthalle Erding, Telefon 08122/9907-12. E-Mail: ticket@stadthalle.de. Für die Zusatzveranstaltung am Donnerstag, 13. Juli, gibt es noch ausreichend Tickets.

© SZ vom 29.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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