Fendsbacher Hof:Vorreiter der Inklusion

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120 Arbeitsplätze gibt es am Fendsbacher Hof. Er ist zu einem wichtigen Arbeitgeber in der Gemeinde Pastetten geworden. (Foto: Hans Seeholzer/oh)

Die Bewohner sollten nicht mehr auf einer Insel leben, sondern das machen, was die übrige Bevölkerung auch tut: einkaufen, Feste feiern und Ausflüge unternehmen. Das war 1985

Von Sieglinde Quast, Pastetten

Inklusion ist spätestens seit der UN-Behinderten-Rechtskonvention von 2008 zum festen Begriff im Alltagsleben geworden. Im "Fendsbacher Hof", der 1985 als "Pflegeheim Kloster Fendsbach" von den "Ursberger Schwestern" übernommen wurde, war die Eingliederung von Behinderten in das Alltagsleben von Anfang an das Ziel. Der damalige Gesamtleiter Anton Karl hatte eine Ader für Themen, die heute hochaktuell sind. Karl war ein Vorreiter der Inklusion. Er nannte sie nur anders; er sprach von "Teilhabe'", sagt Georg Stidl, der aktuelle Leiter der Wohn- und Seniorenbereiche Fendsbach/Eglharting.

Karl hat Stidl damals gefragt, ob er in Fendsbach die Leitung übernehmen wolle. Nach 30 Jahren ist Stidl immer noch da. Unter seiner Leitung öffnete man sich in Fendsbach, nahm am öffentlichen Leben teil und machte das, so Stindl, "was die normale Bevölkerung auch tut", Einkaufen, Ausflüge und andere Unternehmungen.

Öffnung nach außen

Dazu wurde therapeutisches Reiten eingeführt. Außerdem begann Stidl mit großen Festen, wie Maibaum-Aufstellen, Hoffeste und Christkindlmärkte und lud die Umgebung dazu ein - machte also Öffentlichkeitsarbeit. Die Bewohner Fendsbachs sollten nicht mehr auf "einer Insel der Glückseligen" leben, sondern am Leben teilhaben. Eben das, was heute Inklusion heißt.

Fendsbach gehört seit 1985 zum Einrichtungsverbund Steinhöring (EVS), der auch in Dorfen, Erding, Eglharting und Ebersberg Einrichtungen für Kinder, jugendliche und erwachsene Menschen mit Behinderung unterhält. Träger ist die Katholische Jugendfürsorge der Erzdiözese München und Freising. Die einzelnen Bereiche sind der Aufgabe verpflichtet "Menschen mit Behinderungen durch intensive Förderung und spezielle Hilfestellung soweit wie möglich in Gesellschaft und Beruf zu integrieren und die Teilnahme am Leben in einer Gemeinschaft zu ermöglichen."

120 Arbeitsplätze gibt es am Fendsbacher Hof. Er ist zu einem wichtigen Arbeitgeber in der Gemeinde Pastetten geworden. (Foto: Hans Seeholzer/oh)

Derzeit bietet Fendsbach in den "Wohnbereichen" für etwa 100 Frauen und Männer mit Behinderung Plätze an . Die Angebote gelten Erwachsenen, die in der Werkstatt für behinderte Menschen arbeiten und eine Wohnung benötigen. Wenn die Betreuten im Alter von 65 Jahren in Rente gehen, können sie in der Regel in ihren Wohnungen bleiben. Ein gestaffeltes Wohnsystem bietet Räumlichkeiten für Wohngemeinschaften in Apartments und Wohneinheiten auch außerhalb Fendsbachs an.

Begleitung und Beschäftigung für Senioren

Ein 2001 eröffnetes Wohnhaus mit 22 Plätzen in Eglharting sowie zwei Außenwohnungen in Hörlkofen, eine in Ebersberg und eine in Zorneding ergänzen das Gesamtangebot der Fendsbacher Wohnbereiche. Das Wohnhaus in Eglharting, das gegenüber der dortigen Werkstätte liegt, ist ein sogenanntes Elternmodell. Rund 20 Anteilseigner haben es finanziert, Mieter ist Fendsbach, das auch die Organisation innehat.

Geplant und gebaut wurde das Haus so, dass es den Bedürfnissen Behinderter entspricht. In den "Seniorentagesstätten" werden 35 Frauen und Männer betreut, die aus Altersgründen nicht mehr in den Werkstätten tätig sein können. Diesem Lebensabschnitt wird durch adäquate Begleitung und durch zahlreiche Beschäftigungs- und Freizeitangebote eine neue Qualität vermittelt.

Die Werkstätten des Fendsbacher Hofes bieten 80 Erwachsenen Arbeit und Betreuung, hier gibt es die Möglichkeit, soziale Kontakte aufzubauen und Selbstvertrauen, Selbstachtung und Selbstwertgefühl zu entwickeln. Vor allem aber wird die eigene Leistung durch Zahlung eines angemessenen Arbeitsentgelts erlebbar gemacht. Den besonderen Bedürfnissen der Mitarbeiter mit Behinderung wird durch Einzeltherapie, medizinische Betreuung, individuelle Förderangebote und vieles mehr Rechnung getragen.

Die Reittherapie ist erfolgreich

Neben "Gartenbau und Landschaftspflege", in dem nach den Richtlinien von Bioland gearbeitet wird, gibt es die "Landwirtschaft" (Naturland) mit Arbeitsplätzen in der Mastviehhaltung, dem Futter- und Getreideanbau- und der Waldarbeit auf einer Gesamtnutzfläche von 145 Hektar. Darüber hinaus werden Arbeitsplätze in der industriellen Fertigung, der Holzverarbeitung, der Hauswirtschaft und in der Reittherapie angeboten.

Eine "Förderstätte" bietet 14 schwerst-mehrfach behinderten Menschen, ergänzend zum Bereich "Wohnen" einen zweiten Lebensraum an. Das Angebot betrifft Erwachsenen, die nicht, noch nicht oder nicht mehr in der Werkstatt tätig sein können. In einem Reit- und Therapiebetrieb bieten die Therapeutinnen gegenwärtig für mehr als 100 Kinder und Erwachsene mit großem Erfolg Unterstützung an. Derzeit beschäftigen die Fendsbacher Bereiche insgesamt 120 Mitarbeiter. Dadurch ist der Fendsbacher Hof für seine Umgebung zu einem wichtigen Arbeitgeber geworden.

© SZ vom 11.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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