Obdachlosenunterkünfte:"Es kann jeden treffen"

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Obdachlosigkeit gibt es auch im Landkreis Erding. Viele Gemeinden halten spezielle Unterkünfte bereit - und alle sind belegt

Von Regina Bluhme, Erding

Manchmal geht es ganz schnell: Eine Krankheit oder ein Unfall wirft einen aus der Bahn, womöglich sind da auch noch Schulden - schon kann es eng werden bei der Zahlung der Monatsmiete. Im schlimmsten Fall steht am Ende sogar die Zwangsräumung. Und wohin dann? Einige Menschen im Landkreis Erding müssen immer wieder ein paar Nächte in einer Obdachlosenunterkunft überbrücken. Viele Kreisgemeinden stellen solche Einrichtungen zur Verfügung. In der Großen Kreisstadt gibt es vier und sie sind immer belegt. "Der Bedarf ist da, ganz klar", sagt Christian Wanninger, Pressesprecher der Stadt Erding. Vier Unterkünfte mit insgesamt 100 Plätzen kann die Große Kreisstadt zur Verfügung stellen. "Sie sind immer belegt." Vor vier Monaten erst wurde in Finsing eine Notunterkunft eingerichtet. Ein Doppel- und ein Einzelzimmer hält die Gemeinde als kurzfristige Unterkunft für obdachlose Menschen bereit. "Die Nachfrage war in den letzten Jahren steigend", sagt Helmut Fryba, Geschäftsleiter der Gemeindeverwaltung. Momentan seien alle Plätze vergeben. Drei Männer haben in Finsing Unterschlupf gefunden.

Auch in Wartenberg steht eine solche Unterkunft. Als die SZ Erding bei Maximilian Sertl, dem Geschäftsleiter der Verwaltungsgemeinschaft nachfragte, war sie mit einer fünfköpfigen Familie sowie einer Mutter mit ihrem Sohn belegt. Sertl sagt, dass sehr viele Menschen nach einer günstigen Wohnung bei der Gemeinde nachfragten, doch viele verwechselten eine Sozialwohnung mit einer Obdachlosenunterkunft. Letztere sei tatsächlich "nur als kurzfristige Notunterkunft für völlig mittellose Menschen gedacht", so Sertl. Die Bezahlung übernehme in der Regel das Landratsamt.

Werner-Malte Hahn ist Sozialpädagoge und Diakon bei der Beratungsstelle Kirchliche Allgemeine Sozialarbeit (KASA) Erding, einer Einrichtung des Diakonischen Werks Freising. Er berät Menschen in den verschiedensten Notlagen, auch solche, die von Obdachlosigkeit bedroht sind. Im Jahr 2015 habe ein Drittel seiner insgesamt 180 Klienten (inklusive Kurzzeitbetreuung) "ein Wohnungsproblem" gehabt, berichtet Hahn, und von diesem Drittel seien 20 obdachlos.

"Obdachlosigkeit kann jeden treffen", betont Werner-Malte Hahn. Da ist ein Unfall, eine Scheidung, eine Krankheit, der Tod des Ehepartners oder der Verlust des Arbeitsplatzes, "das stellt einen ganz großen Einschnitt dar, ist für manche traumatisch", so Hahn. Einige holten sich leider erst dann zum ersten Mal Hilfe, wenn die Zwangsräumung anstehe. Da bleibe manchmal zunächst nichts anderes übrig, als für eine Zeit in eine Obdachlosenunterkunft zu ziehen.

Es sei nach dem Sicherheitsrecht eine Pflichtaufgabe jeder Kommune, Personen aus ihrem Gemeindegebiet, denen Obdachlosigkeit drohe, vorübergehend eine Unterkunft zu verschaffen, sagt Bernd Göhler, Geschäftsleiter der Gemeinde Moosinning. In seiner Gemeinde gibt es allerdings keine eigene Obdachlosenunterkunft. Das Thema sei zwar im Gemeinderat diskutiert worden, "aber der Aufwand und die spätere Nutzung sei extrem schwierig zu vermitteln", so Göhler. Ein bis drei Mal im Jahr melde sich in Moosinning ein Mensch obdachlos, dann miete die Gemeinde ein Pensionszimmer an, so Göhler.

Fritz Steinberger, der Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt Erding, betreut ebenfalls obdachlose Menschen. Er rät jedem, egal mit welchen Schwierigkeiten, sich an eine Beratungsstelle zu wenden. "Es gibt Angebote und Unterstützung, wie die Menschen Schritt für Schritt lernen, ihr Leben und ihre finanzielle Situation wieder in den Griff zu bekommen."

Unter den Obdachlosen im Landkreis befinden sich Diakon Hahn zufolge Männer wie Frauen, ältere und jüngere. Manchmal auch Jugendliche, die den Kontakt zum Elternhaus abgebrochen haben. "Hinter jeder Obdachlosigkeit steckt eine ganz traurige Geschichte", sagt er.

© SZ vom 05.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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