Neujahrsempfang der SPD:"Runter vom hohen Ross"

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Zu Gast bei Parteifreunden: Der SPD-Bundestagsabgeordnete Ewald Schurer (links) und die Ottenhofener Bürgermeisterin Nicole Schley zusammen mit Festredner Christian Ude. (Foto: Renate Schmidt)

Die Debatten um Trump und die Rechten überschatten den Neujahrsempfang der SPD. Christian Ude ruft zu Selbstkritik auf.

Von Veronika Wulf, Erding

Donald Trump ist das medienbeherrschende Thema am vergangenen Wochenende gewesen, dem Wochenende seiner Amtseinführung. Und auch Martin Kern, Kreisvorsitzender der Erdinger SPD, begann seine Rede beim Neujahrsempfang am Sonntagabend mit dem "Mann mit Twitteraccount und Fönfrisur". Die Stadthalle war voll, wohl auch wegen ihm: Festredner Christian Ude (SPD), ehemaliger Münchner OB. Er warnte vor dem Verlust demokratischer Werte und richtete deutliche Worte an seine Partei.

Von Vereinen über die Feuerwehr, Kirchen und Gewerkschaften bis hin zur Wirtschaft war ein breites Spektrum an Gästen vertreten. Auch CSU-Landrat Martin Bayerstorfer kam - wenn auch 30 Minuten zu spät, wie mehrere Redner anmerkten. Seine Partei kam nicht gut weg, insbesondere Finanzminister Markus Söder (CSU), der das Berlin-Attentat sofort mit Flüchtlingen in Verbindung brachte. "Söders Worte sind Gift!", sagte Kern, "Gift, das unsere demokratischen Grundwerte angreift." Diese würden von islamistischem Terror und der politischen Rechten in die Zange genommen. Ewald Schurer, der SPD-Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Erding-Ebersberg, bewegte sich in seiner Rede kurz weg von der Weltpolitik, hin zum Lokalen. Er lobte das Bildungsangebot in Erding, sprach von Fortschritten beim S-Bahn-Ausbau, forderte mehr bezahlbaren Wohnraum über den Genossenschaftswohnbau, und sprach sich deutlich für einen Erhalt des Warteraums am Fliegerhorst aus: "Dieses reiche Land muss eine humane Flüchtlingspolitik betreiben können." Außerdem rief er die Bürger im Landkreis auf, sich politisch oder ehrenamtlich zu engagieren: "Gehen Sie raus und widersprechen Sie den Populisten."

Christian Ude begann seine Rede mit einem Dämpfer: "Seit ich politisch denken kann, war kein Jahresanfang so aufwühlend, deprimierend und niederschmetternd wie dieses Jahr", sagte der Mann, der seit mehr als 50 Jahren in der SPD ist. Deshalb falle es ihm schwer, ein frohes neues Jahr zu wünschen. Wenn man so viele Wähler verloren hat wie die SPD seit der Jahrtausendwende, dann könne man sich nicht nur auf die Schulter klopfen. Es käme Bedrohliches auf uns zu. Das Jahr 2016 habe einen einzigen "Erkenntnisfortschritt der Weltpolitik" gehabt: die Weltklimakonferenz. Und nun komme Trump mit seiner "dummdreisten, chauvinistischen, machohaften Politik", wie er an anderer Stelle in den Saal wirft, und wolle das Klimabündnis aufkündigen. Man dürfe jetzt nicht "politisch überheblich" werden, gerade mit Blick auf Europa.

Es stehe schlecht um die Sozial-Demokraten: In Deutschland 20 Prozent, in Griechenland fünf Prozent, in Italien "hat es den letzten Sozialdemokraten gerade zerbröselt und in Luxemburg stellen wir wenigstens den Außenminister. In Luxemburg!", ärgert sich Ude. In Frankreich erschrecke ihn, dass die Wähler des rechtsextremen Front National zum Großteil Sozialhilfeempfänger seien: "Das ist ein Versagen der Linken, wenn sich Armut und Benachteiligung in rechtslastiger Stimmung entlädt." Auch Trump habe große Erfolge bei den sozial Benachteiligten eingefahren, obwohl er ein "Immobilienmilliardär" ist. "In München wüsste ich kein schlimmeres Schimpfwort", sagte Ude und erntete Gelächter. Er kritisierte auch die deutschen Linken, vor allem die SPD: "Kommen wir runter von unserem hohen Ross. Natürlich gibt es Dummköpfe bei der AfD, aber ist das ein Trost?" Es könne nicht sein, dass SPD-Politiker sagten, sie wollen gar nicht von jenen gewählt werden, die mit der AfD liebäugeln, weil das Neonazis seien. "Das müssen irgendwann SPD-Wähler gewesen sein, das sagt die Statistik", betonte Ude. Und dann hieße es: Das liegt an Sigmar Gabriel, er sei zu dick, zu sprunghaft. Ude sieht das als "Selbstverstümmelung" der SPD. "Wir fliehen in Fehlanalysen und moralische Überlegenheit." Man dürfe nicht jeden, der unbequeme Fragen stellt, gleich in die rechte Ecke schieben. Die demokratischen Parteien müssten gemeinsam gegen den Zerfall Europas kämpfen. Ude entließ das Publikum mit einer Frage: "Wieso sollten 85 Prozent Demokraten von 15 Prozent Fanatikern an die Wand geklatscht werden?"

© SZ vom 24.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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