Neujahrsempfang der SPD:Bayern soll sozialer werden

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Doris Rauscher, Gertrud Eichinger, Ulla Dieckmann und Martin Kern (von links) begrüßen die Gäste, darunter Hildegard Kronawitter. (Foto: Renate Schmidt)

Der Kreisverband Erding blickt zurück und nach vorne. Und er erinnert an Ewald Schurer.

Von Philipp Schmitt, Erding

Der SPD-Kreisverband hat am Sonntag beim Neujahrsempfang in der vollen Stadthalle Erding an das 100-jährige Bestehen des 1918 gegründeten Freistaats Bayern erinnert, den auch die sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Kurt Eisner und Wilhelm Hoegner mitgeprägt hätten. "Demokratie ist kein Selbstläufer, friedliches Zusammenleben ist keine Selbstverständlichkeit", sagte der Kreisvorsitzende Martin Kern, der in Buch am Buchrain im Gemeinderat sitzt. Er erinnerte an den gebürtigen Berliner Journalisten Eisner, der nach dem Sturz des letzten bayerischen Königs 1918 den Freistaat ausgerufen hatte. "Jedes Menschenleben soll heilig sein", zitierte Kern den 1919 ermordeten Politiker.

Kern erinnerte an den Münchner Hoegner, der sich für eine solidarische Gesellschaft der gegenseitigen Hilfe stark gemacht habe. Hoegners Prinzipien seien auch in der schnelllebigen Arbeitswelt der Gegenwart für ein Zusammenleben in einer solidarischen Gesellschaft wichtig. Die SPD-Landtagsdirekt-Kandidatin, die dritte Landrätin Gertrud Eichinger, sagte, der Freistaat habe sich in 100 Jahren vom Agrarland in ein Hochtechnologieland gewandelt. Auch das früher landwirtschaftlich geprägte Erding habe sich zu einem vielfältigen Wirtschaftsstandort mit Chancen und Herausforderungen in einer Wachstumsregion entwickelt. Wegen steigender beruflicher Anforderungen, der schwierigen Vereinbarkeit von Beruf und Familie und steigenden Mieten und Bodenpreisen dürfe trotz Vollbeschäftigung nicht übersehen werden, dass es Probleme gebe und sich "Sorgen bis in die Mitte der Gesellschaft hinein fressen". Es müsse politisch gegengesteuert werden.

Die Bezirkstags-Direktkandidatin Ulla Dieckmann kommentierte die Zustimmung des SPD-Parteitags zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen: Die SPD habe auf Bundesebene und auch im Landkreis bei den kontroversen Debatten "hohe Streitkultur bewiesen". Die Fraktionsvorsitzende im Kreistag fügte an, dass aber vor allem in der Flüchtlings- und der Klimapolitik die Eckpunkte des Sondierungspapiers nicht reichten und die SPD deutliche Nachbesserungen und "sportlichere Ziele" fordern müsse. Dieckmann ist stellvertretende Bürgermeisterin in Wörth und würdigte zudem das ehrenamtliche Engagement vieler Bürger in Helferkreisen, die sich seit 2015 für Integration einsetzen. Zudem erinnerte Ulla Dieckmann an die große Lücke, die der am 3. Dezember 2017 mit 63 Jahren gestorbene Bundestagsabgeordnete Ewald Schurer auch im Landkreis hinterlassen hat: "Ewald Schurer hatte Rückgrat. Er hat sich unermüdlich für die Belange der Bürger und für eine solidarische Gesellschaft eingesetzt. Die Bürger lagen ihm am Herzen, er hat vielen Menschen mit seinem Einsatz geholfen, er war nie abgehoben und immer bodenständig", sagte Dieckmann. Auf der Leinwand wurden Fotos mit Schurer gezeigt, er war 46 Jahre SPD-Mitglied.

Im Festvortrag forderte die Ebersberger Landtagsabgeordnete Doris Rauscher ein sozialeres und demokratischeres Bayern, denn auch im reichen Freistaat seien von der oft unzureichenden Kinderbetreuung und steigenden Mieten bis zur Altersarmut und dem Pflegenotstand noch viele Probleme zu lösen. "Wie viel Menschenwürde steckt in einer Pfandflasche?", lautete das Thema ihrer Festrede. "Wie konnte es in Bayern so weit kommen?" In Bayern liege trotz des Wohlstands einiges im Argen, die Schere zwischen Arm und Reiche gehe auseinander, wie der Sozialbericht der Staatsregierung zeige. Bayern brauche dringend mehr Teilhabe am Wohlstand auch für benachteiligte Menschen. Familien müssten durch mehr Kinderbetreuungsplätze und erschwingliche Mieten entlastet werden. "Es braucht statt der Sonntagsreden einen Strauß an Maßnahmen, um Bayern sozialer zu machen", sagte Rauscher.

© SZ vom 23.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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