Neue Regelung:Wohngebiete im Eiltempo

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"Beschleunigten Verfahren" bei Ausweisung von Baugebieten: Erdinger Kommunen warten ab

Von Gerhard Wilhelm, Erding

Die Gemeinden im Landkreis können künftig im sogenannten beschleunigten Verfahren an den Ortsrändern Neubaugebiete von einem Hektar Größe ausweisen - und zwar noch bis Ende 2019. Bisher mussten sie für einen Bebauungsplan die Öffentlichkeit informieren, eine Erörterung ansetzen und die Umweltverträglichkeit prüfen. Das konnte dauern, wenn es Widerstand gab. Im Landkreis ist man nun geteilter Meinung über die neuen Möglichkeiten. Für einige Kommunen ist ein Hektar zu klein, andere warnen vor noch mehr Flächenversieglung. In einem sind sie sich einig: Der Duck, auf die Gemeinden Bauland auszuweisen, ist angesichts hoher Mieten und Immobilienpreise enorm.

Auslöser für die neue Regelung ist die "Umsetzung einer EU-Richtlinie im Städtebaurecht" durch den Bundestag. Vor allem Bayern hatte für diese Regelung gekämpft, sie soll neuen Wohnraum in Ballungsräumen wie München erleichtern. Der Widerstand war aber groß. Der Naturschutzbund befürchtet eine "fatale Fehlentwicklung bei der Flächeninanspruchnahme". Im Bundestag sprach Chris Kühn (Grüne) von einem "Flächenfraßparagraf". Sogar CSU-Umweltpolitiker Josef Göppel ist skeptisch: "Wenn nur die Hälfte der Ortschaften das in Anspruch nimmt, dann verdoppelt das den deutschen Flächenverbrauch."

Nach der Änderung ist nun erlaubt, Bebauungspläne ohne Umweltprüfung aufzustellen. Außerdem kann auf die frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit und der Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange verzichtet werden. Das spart in erheblichem Umfang Zeit und Aufwand. Die Bürgerinteressen sollen im Rahmen der öffentlichen Auslegung eingebunden werden, die in der Regel einen Monat dauert.

Für Dorfen ist die neue Regelung durchaus interessant, wie Bauamtsleiter Franz Wandinger sagt. Ein Hektar sei allerdings für die Stadt eher zu klein, aber für die Erweiterung von Ortsteilen, zum Beispiel in Hampersdorf, durchaus eine Chance. "Das Verfahren spart Zeit. Aber ohne genauer zu wissen, wie man genau damit umgehen soll, etwa durch den Gesetzgeber oder den Gemeindetag, kann man wenig Konkretes sagen." Ähnliches kommt auch aus Erding: "Ohne dass man genauere Ausführungsbestimmungen hat, kann man kaum sagen, inwieweit das für die Stadt Erding anwendbar ist", sagt Pressesprecher Christian Wanninger.

Auch Wartenbergs Bürgermeister Manfred Ranft (FW) sieht die Größe kritisch: "Das hört sich im ersten Moment gut an. Aber ein Hektar ist relativ klein, um ein eigenständiges Baugebiet auszuweisen. Bei den üblichen Ackerlängen in unserer Gegend sind zwei Hektar das Mindeste, um einen vernünftigen Zuschnitt mit Erschießungsstraße hinzubekommen. Zur Not geht es sicher auch anders. Das nächste Gebiet, das wir ausweisen wollen, ist mit drei Hektar deutlich zu groß für das Verfahren."

Für Ottenhofens Bürgermeisterin Nicole Schley (SPD) wiederum kommt die Anwendung definitiv nicht in Frage: "Unser erstes Ziel muss die Schließung von Baulücken sein, um nicht noch mehr zum Flächenverbrauch beizutragen".

Für den Markt Isen ist die neue Umsetzung derzeit "nicht aktuell, in einigen Fällen aber vorstellbar", sagt Bürgermeister Siegfried Fischer (FW). Die Vorteile des beschleunigten Verfahrens nehme man gerne wahr; das Verfahren müsse nicht unbedingt ein Nachteil sein, wenn man Hinweise und Einwendungen schon im Vorfeld erkenne und, falls notwendig und sinnvoll, einarbeite. "Die derzeitige Information über die EU-Richtlinie vermittelt leider den Eindruck, dass in dem befristeten Zeitraum das Bauen allerorts leichter möglich sei. Das ist meines Erachtens nicht der Fall. Es wird in bestimmten Fällen lediglich das Bauleitplanverfahren erleichtert beziehungsweise beschleunigt. Die städtebauliche und bauplanungsrechtliche Gesetzgebung ist deswegen schon noch einzuhalten."

Johann Wiesmeier (CSU), Bürgermeister von Fraunberg und Kreisvorsitzender des Bayerischen Gemeindetags, begrüßt die Umsetzung. "Der Druck auf die Kommunen, Bauland auszuweisen, nimmt immer weiter zu. Wir haben zum Beispiel für 15 Parzellen mehr als 100 Bewerber. Den rechtlichen Vorgaben bei Bebauungsplänen gerecht zu werden, wird immer schwieriger, deshalb ist das ein richtiger Schritt. Wir versuchen natürlich erst den innerörtlichen Ausbau, damit der Charakter der Dörfer erhalten bleibt. Trabantenstädte wollen wir auch nicht, aber man kann nicht einerseits über zu hohen Immobilienpreise und Mieten jammern und gleichzeitig über den Flächenverbrauch."

© SZ vom 16.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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