Nachmittagsbetreuung an Erdinger Grundschulen:Zweierlei Maß

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Pauken am Nachmittag: In der Grundschule am Grünen Markt in Erding gibt es im Rahmen der offenen Ganztagesschule eine Hausaufgabenbetreuung. (Foto: Renate Schmidt)

An manchen Grundschulen kostet die Nachmittagsbetreuung nichts mehr, egal wie viel die Eltern verdienen. An anderen Schulen müssen Spenden gesammelt werden, damit auch Flüchtlingskinder dabei sein können

Von Florian Tempel, Erding

In Erding ist in diesem Schuljahr an den Grundschulen am Grünen Markt und am Ludwig-Simmet-Anger die offene Ganztagsschule eingeführt worden. Für die Betreuung ihrer Kinder bis 16 Uhr müssen die Eltern an diesen zwei Schulen nun nichts mehr bezahlen. Die Kosten übernehmen der Freistaat und die Stadt. An anderen Grundschulen in Erding gibt es hingegen noch die Mittagsbetreuung, die bis 16 Uhr weiterhin 75 Euro im Monat kostet. Das kann sich nicht jeder leisten und Familien mit geringen Einkommen erhalten aus strikt bürokratischen Gründen keine Ermäßigung. Dabei wäre für Kinder aus Flüchtlingsfamilien Mittagsbetreuung besonders wichtig. Die Grundschulen versuchen deshalb weiterhin, wie schon seit Jahren , die Mittagsbetreuung von Flüchtlingskindern über Spenden möglich zu machen. Nun ist das allerdings eine fast schon absurde Situation: Staat und Stadt ermöglichen an manchen Grundschulen den Eltern - unabhängig von ihren Einkommensverhältnissen - eine kostenfreie Nachmittagsbetreuung ihrer Kinder, während an anderen Schulen das Gleiche durch Spenden finanziert werden muss.

Die Einführung der kostenlosen, offenen Ganztagsschule an Grundschulen soll für "mehr Bildungsgerechtigkeit" sorgen. Das hat der Präsident des bayerischen Gemeindetag, Uwe Brandl, im März 2015 bei einem "Ganztagsgipfel" der kommunalen Spitzenverbände und der Staatsregierung betont. Die erhöhte Chancengleichheit in der Grundschule ergibt sich dabei nicht dadurch, dass die Betreuung am Nachmittag die Eltern nichts mehr kostet. Sie hat damit zu tun, dass insbesondere Kinder von Migranten im längeren Zusammensein mit ihren Mitschülern besser und schneller Deutsch lernen sowie von der Hausaufgabenbetreuung profitieren können.

Die offene Ganztagsschule, die an der Grundschule am Grünen Markt die Mittagsbetreuung abgelöst hat, ist auf enorme Nachfrage gestoßen. Im vergangenen Schuljahr gingen etwa 85 von 220 Kindern in die Mittagbetreuung. Nun nehmen 150 von 195 Kindern an der kostenfreien offenen Ganztagsschule teil. Für Rektorin Monika Eder ist das keine Überraschung: "Wir haben ja auch viele Eltern, die sich die Mittagsbetreuung nicht leisten konnten." Und noch etwas hat sich geändert: Im vergangenen Jahr aßen nur die Hälfte der Kinder der Mittagsbetreuung ein warmes Mittagessen für drei Euro. Die andere Hälfte der Kinder begnügte sich mit einer Brotzeit, da ihren Eltern beides zusammen - Mittagbetreuung und Mittagessen - offensichtlich zu teuer erschien. Nun würden fast alle Nachmittagskinder ein warmes Mittagessen nehmen, sagt Eder. Da die Betreuung nichts mehr kostet, kann sich das fast jede Familie leisten.

"Wahnsinnig wichtig" findet Rektorin Eder, wenn Kindern von Migranten nachmittags noch länger in der Schule bleiben: "Die Kinder lernen ja nicht Deutsch, weil sie einen noch so guten Deutschunterricht erhalten, sondern weil sie mit anderen Kindern spielen - denn das Spielen ist das Lernen der Kinder." Das gelte für alle Kinder, für die Deutsch nicht die Muttersprache ist, egal ob ihrer Eltern aus Großbritannien, Frankreich, Ungarn, Syrien oder Afghanistan nach Erding gekommen sind.

Barbara Wolff ist Rektorin der Grundschule am Lodererplatz, die gerade einmal 500 Meter Luftlinie vom Grünen Markt entfernt liegt. Sie sieht die Sache ganz genauso wie ihrer Kollegin Eder: "Wir müssen die Integration von unten beginnen." Die Grundschule ist die Basis für alles Weitere. Doch während Flüchtlingskinder am Grünen Markt einfach dabei sein können, müssen am Lodererplatz Spenden für sie gesammelt werden.

Man kennt das schon aus den vergangenen Jahren. Die Caritas hilft auch weiterhin bei der Spendenakquise für diesen speziellen Zweck. Neben der Schule am Lodererplatz braucht auch die Carl-Orff-Grundschule in Altenerding diese Unterstützung. An der Grundschule Klettham gibt es einen Caritas-Hort und "kein Problem", sagt Caritas-Geschäftsführerin Barbara Gaab. Sie sagt aber auch: "Ich konnte noch nie nachvollziehen, dass die Mittagsbetreuung die Eltern überhaupt etwas kosten muss." Durch die kostenfreien Ganztagsschule an einigen Schulen werde dieser Systemfehler nun für jeden deutlich.

Erdings Oberbürgermeister Max Gotz (CSU) räumt ein, das Ganze sei "schwer zu verstehen". Eine befriedigende Antwort oder Lösung hat auch er nicht. Er schiebt den Schwarzen Peter weiter nach oben und fordert, der Bund müsse "diese Integrationskosten" übernehmen.

© SZ vom 11.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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