Musiker aus Krisenländern:Auf Augenhöhe

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Im Fernsehen und auf der Bühne: Die Komponistin Martina Eisenreich musiziert mit hervorragenden Künstlern aus Syrien - die nach Deutschland geflohen sind

Von Mathias Weber

Was Martina Eisenreich manchmal auf der Bühne erlebt, davon war sie am vergangenen Freitag meilenweit entfernt. Natürlich hätte der Auftritt ihres Quartetts im Rahmen der 1200-Jahr-Feier von Grünbach auch schiefgehen können: Nicht nur sie und ihre Musiker sind aufgetreten, als Überraschung für das Publikum hat sie noch vier ausländische Musiker eingeladen. Eisenreich hat die Lebensläufe der vier erstklassig ausgebildeten Musiker vorgelesen und dann einfach drauf los gespielt. Zum Beispiel die "Alte Kat", ein Zwiefacher: Erst schön baierisch, dann sind die Gastmusiker ein wenig abgebogen, und am Ende wurde aus dem Stück eine orientalische Weise; einer der Musiker war Kiko Pedrozo aus Paraguay, der mit seiner Harfe öfter mit Eisenreich auf der Bühne steht; der andere war Mohcine Ramdan aus Marokko, der derzeit an der LMU unterrichtet und promoviert; und dann waren da noch Ehab Fakhir (Viola) und Abathar Kmash (Violoncello) mit auf der Bühne, die arabische klassische Musik spielen. Dass die beide Flüchtlinge aus Syrien sind, dass sie nur mit ihren Instrumenten in den Händen in Deutschland angekommen sind, dass sie heute in einer Unterkunft in München wohnen und auf die Bewilligung ihres Antrages warten - das alles sollte in Grünbach keine Rolle spielen. Die beiden sollten als das wahrgenommen werden, was sie sind: ausgezeichnete Musiker. Das Publikum war vom Auftritt begeistert: "Die Leute waren sehr berührt", sagt Eisenreich.

Der erfolgreichen Erdinger Komponistin Martina Eisenreich, das ist ganz offensichtlich, liegen die Themen Flucht und Vertreibung am Herzen. "Es ist mir ein Anliegen, mit schönen und persönlichen Erlebnissen zu inspirieren, die ganz außerhalb der allgegenwärtigen Flüchtlingsdiskussion liegen." Sie möchte "unvoreingenommene Begegnungen auf Augenhöhe" schaffen, denn "über authentischen Respekt und Empathie kommt die Menschlichkeit in den Fokus", sagt sie. Immer wieder tritt sie auf Benefizveranstaltungen auf oder organisiert sie. Dass das Publikum ihrer Sache wohlgesonnen ist, ist keine Überraschung. Aber Eisenreich macht auch andere Erfahrungen: Wenn sie zum Beispiel bei einem ganz normalen Konzert den Song "Platz do" spielt, in dem darum geworben wird, menschenwürdig mit den Flüchtlingen im Land umzugehen, "da wird es manchmal eiskalt im Raum", sagt Eisenreich. "Es gibt immer einige im Saal, die verschränken die Arme und schauen böse." Auch auf Youtube begeistert der Song zwar viele, aber auch die vielen negativen Kommentare schockieren Eisenreich. "Mich bewegt das Thema", sagt Eisenreich, "aber ich habe mich in der Diskussion zurückgenommen. Man wird gerne als naiv bezeichnet, wenn man sich künstlerisch äußert, und das spaltet die Lager noch mehr", beklagt sie. Aber ein Zugang wie in Grünbach ist etwas anderes: Da gibt es keine Leute, die gegen oder für Flüchtlingspolitik sind, sondern die einfach nur Musik hören wollen. Und so sollen die Menschen auf der Bühne auch verstanden werden: nicht als Flüchtlinge, sondern als Musiker; als "Künstler auf Augenhöhe", sagt Eisenreich. Fakhir und Kmash seien "unglaublich gute Musiker".

Treffen der Kulturen im Hofbräuhaus: Mohcine Ramdan (li.) kommt aus Marokko, studiert in München und tritt gerne mit Martina Eisenreich (re.) auf. (Foto: Chr. Müller)

Mit Syrern im Hofbräuhaus

Eisenreich hat Fakhir, Kmash und den Marokkaner Mohcine ganz spontan nach Grünbach eingeladen (die drei treten als Band Jisr - Brücke zusammen auf). Erst einige Tage zuvor hatte man sich kennengelernt, im Rahmen einer Aufzeichnung für das Bayerische Fernsehen. Dort läuft die Sendung "Z'am rocken", bei der in klassisch bairischer Atmosphäre Musiker verschiedener Genres aufeinandertreffen. Mit Eisenreich als Gast wurde im Münchner Hofbräuhaus eine Sondersendung aufgezeichnet: Bayerische Musiker treffen auf Flüchtlinge aus Afghanistan, Syrien und Afrika. Konstantin Wecker war dabei, die Neurosenheimer, Eisenreich natürlich und eben auch die Gruppe Jisr. Insgesamt haben sich 20 bis 30 Musiker am Münchner Platzl versammelt, Luise Kinseher hat moderiert und mit den Teilnehmern über ihre persönlichen Hintergründe gesprochen. Ausgestrahlt wird die Sendung am heutigen Donnerstagabend.

Die ganze Sache habe ihr wahnsinnig großen Spaß gemacht, sagt Eisenreich, und besonders fasziniert sei sie von den klassisch ausgebildeten Musiker aus Syrien gewesen, die nicht nur Weltmusik spielen, sondern eben auch klassische Instrumente - gar nicht so viel anders als ihr eigenes Quartett. In einer Aufzeichnungspause hat sie die Gruppe kurzerhand nach Grünbach eingeladen - die Musiker haben kurz verdutzt geschaut, dann aber schnell eingewilligt. Auch wenn die beiden Syrer noch nicht lange in Deutschland sind und ihr Asylverfahren noch läuft, sie haben in der Musikwelt schon viele Freunde gefunden. Eisenreich glaubt nicht, dass sie große Probleme haben werden, nach Bewilligung ihres Antrags mit der Musik Geld zu verdienen. Aber darum geht es Eisenreich auch nicht, ihre Unterstützung brauchen die beiden nicht unbedingt. Es geht ihr eher um das deutsche Publikum: "Ich denke, es ist wie überall im Leben - wenn die Menschen wollen, sich gegenseitig wohlwollend gegenüberstehen und es um Persönliches geht, dann können wir Herausforderungen ganz anders begegnen."

Zusammen mit den beiden geflohenen Syrern Ehab Fakhir (links) und Abathar Kmash (Mitte) hat Ramdan die Gruppe Jisr gegründet. (Foto: Julia Müller/oh)

Die Sendung "Z'am rocken Spezial" aus dem Hofbräuhaus wird am heutigen Donnerstag, 9. Juni, ab 23 Uhr im Bayerischen Fernsehen ausgestrahlt und ist danach in der Mediathek des Senders abrufbar.

© SZ vom 09.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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