Museum Erding:Gekommen, um zu bleiben

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Die Sonderausstellung über die Heimatvertriebenen im Landkreis ist gut gelungen, da sie individuelle Lebensgeschichten packend vermittelt und geschichtliche Hintergründe unprätentiös beleuchtet

Von Florian Tempel, Erding

Es ist noch reichlich Zeit. Die Sonderausstellung "Vom Gehen müssen und Ankommen dürfen", die den vielen Heimatvertriebenen gewidmet ist, die in und nach dem Zweiten Weltkrieg in den Landkreis kamen, ist ja erst angelaufen. Bis Ende Mai findet sich sicher für jeden Geschichtsinteressierten ein Nachmittag, an dem er im Museum Erding vorbeischauen und diese hervorragend gemachte Ausstellung ansehen kann.

Bald 75 Jahre nach Kriegsende ist es höchste Zeit geworden, mit Menschen, die Flucht und Vertreibung als junge Erwachsene oder Kinder miterlebt haben, Kontakt aufzunehmen und ihre Lebensgeschichten zu notieren. Museumsleiter Harald Krause und Sammlungsleiterin Elisabeth Boxberger haben zwei Dutzend betagte Mitbürger bei sich zu Hause, in Altersheimen oder an anderen Orte getroffenen und mit ihnen intensive Zeitzeugengespräche geführt. Ihre persönlichen Lebensgeschichten sind integraler Teil der Ausstellung geworden.

Eine große Wandtafel zeigt zehn individuelle Wege aus verschiedenen Regionen im Osten bis in den Landkreis Erding. Auf jeder Fluchtkarte sind der Ausgangspunkt, die Zwischenstationen und die Endpunkte im Landkreis zu sehen, dazu die Fortbewegungsmittel, mit denen die Etappen zurückgelegt wurden - mit der Eisenbahn, mit einem Fuhrwerk oder zu Fuß. Neben den Routen zeigen Fotos die Herkunftsorte, die ehemaligen Anwesen oder Familienerinnerungen aus der Zeit vor der Vertreibung. Andere Abbildungen sind schon Dokumente des Lebens in Bayern.

In einer langen Vitrine unter der großen Wandtafel werden, unterteilt nach den Herkunftsregionen, weitere Dokumente und Andenken ausgestellt. Es sind, auf den ersten Blick, ganz normale Gegenstände: Eine Handtasche und ein Paar Pantoffeln, ein Zuckerdose aus Porzellan und silberne Löffel, ein Kristallglas und eine Backform, Leintücher und ein Christbaumständer. Doch das sind eben keine normalen Gegenstände. Es sind gut gehütete Familienschätze, die, wie der Besucher spürt, mit tiefen Erinnerungen und starken Emotionen behaftet sind. Diese Dinge haben nicht nur den langen Weg der Flucht überstanden, sondern auch schon Jahrzehnte in Erding, Dorfen, Berglern oder sonst wo.

Mitgebracht wurden die gute Stücke in Koffern, Säcken und Holztruhen, vielleicht auf dem Leiterwagen, der gleich am Anfang der Ausstellung steht, wenn man die Treppe raufkommt. Dort haben die Ausstellungsmacher eine weitere Tafel aufgehängt, die einen allgemeineren Überblick über die Herkunftsgebiete im östlichen Europa, Zahlen und Daten sowie Hintergründe vermittelt.

Ein weiterer großer Teil der Ausstellung befasst sich mit dem Ankommen der Vertrieben. In Eichenkofen gab es bis 1954 ein Barackenlager, in dem es sogar eine eigene Schule mit bis zu 70 Kindern gab. An anderer Stelle wird thematisiert, wie sich die Vertriebenen im politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Leben der Stadt und des Landkreises einbrachten und wo neuer Wohnraum für so viele Menschen geschaffen wurde. Bis 1950 waren in der Gegend um Erding mehr als 16 000 Heimatvertriebene angekommen. Zu guter Letzt zeigt die Ausstellung auch, wie die Menschen ihre Bräuche und Traditionen auch hier in Bayern aufrechterhielten, in Landsmannschaften organisiert oder nur ganz privat in ihren Familien.

"Vom Gehen müssen und Ankommen dürfen" , Museum Erding, bis 31. Mai, täglich außer Montag 13 bis 17 Uhr, Eintritt drei Euro, ermäßigt zwei Euro, Führungen nach Vereinbarung.

© SZ vom 05.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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