Mitten in Erding:Zu blind vertraut

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Praktisch, diese Navis. Meistens zumindest

Von Gerhard Wilhelm

Immer wieder ist von Autofahrern zu lesen, die ihrem Navigationsgerät mehr glauben als ihren Augen oder dem Partner auf dem Beifahrersitz, der vielleicht einen gute alte Straßenkarte in der Hand hält. Die Folgen sind bekannt: versenkte Autos, gerammte Mauern und dieser Tage endete die Fahrt in Bremen auf einer steilen Treppe statt in einer Tiefgarage.

Navigationsgeräte sind im Grunde eine prima Sache. Sie ersparen einem immer wieder, sich neu orientieren zu müssen; man muss keine gewagten Blicke auf die Karte auf dem Beifahrersitz werfen, sollte man alleine unterwegs sei, sondern kann sich ganz auf den Verkehr konzentrieren. Gute Geräte warnen sogar vor Staus und piepsen energisch, wenn man das erlaubte Höchsttempo überschreitet. Inzwischen gibt es diese Geräte auch schon für Radfahrer und man sieht sogar Fußgänger mehr auf ein kleines Display schielen als auf den Boden oder entgegenkommende Passanten. Und verlässt sich ganz auf das, was die nette Stimme aus dem Gerät einem sagt: "Nach 50 Meter rechts abbiegen" oder wenn es soweit ist: "Jetzt rechts abbiegen." Wahlweise in Hochdeutsch, aber auch in Bairisch. Oder, wenn man mehr an die Macht glaubt, spricht Meister Yoda zu einem: "Du abbiegen musst jetzt".

Aber wehe, es gibt Unvorhergesehenes, eine Baustelle oder neue Straßen. Schlimm wird es, wenn beides zusammen kommt, wie jüngst ein Besucher erfahren musste. Dass die eigene Straße vielleicht doch noch nicht in jedem Navigationsgerät eingespeichert ist, war nach sechs Jahren nicht mehr so im Bewusstsein. Der erste Anruf kam bereits vor Fahrtbeginn: "Du, mein Navi kennt die Straße nicht". Also wird die benachbarte Straße genannt und beschrieben, wie es von dort aus weiter geht. Irgendwann kommt dann der zweite, etwas verzweifeltere Anruf: "Das blöde Navi will mich immer wo abbiegen lassen, aber die Straße ist gesperrt!". Auf die Nachfrage, wo man denn jetzt stehe, kam die Antwort: "Am Parkplatz am Kindergarten".

Jetzt hätte man selber Navi spielen können: "Geradeaus weiter, nach 50 Meter links, die Straße hoch, oben rechts und nach 50 Meter haben Sie ihr Ziel erreicht." Aber wozu ein Risiko eingehen? Und man sagt leichtfertig: "Ich komme und hole Dich." Sind zu Fuß nur ein paar Minuten zum Kindergarten. Den einzigen Kindergarten im Ort. Doch dort stehen nur zwei Autos mit Erdinger Kennzeichen, kein auswärtiges Auto. Aber es gibt ja auch noch einen zweiten Parkplatz auf der anderen Seite. Da steht aber kein einziges Auto. Zum Glück gibt es parallel zur Abschaffung von Straßenkarten die Erfindung des Mobiltelefons. Aber der Besucher ist sich sicher: "Ich stehe am Parkplatz am Kindergarten." Fünf Minuten darauf endet die Suche nach einem roten Auto erfolgreich. Der Kindergarten ist zwar rund 50 Meter weg, aber der Parkplatz ist an der Straße "Am Kindergarten". Mit Straßenkarte hätte man das sehen können. Zum Glück war kein Fluss oder eine Treppe in der Nähe.

© SZ vom 08.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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