Mitten in Erding:Weihnachten, jetzt!

Lesezeit: 1 min

Es ist heiß, die Sonne brennt vom blauen Himmel runter. Doch die Stadtverwaltung hat andere Sorgen: Sie sucht einen Christbaum

Von Sebastian Fischer

Die Sonne scheint erbarmungslos auf den Schrannenplatz in Erding, da erklingt eine erbarmende Stimme. "Ich habe Mitleid!", ruft ein Junge inmitten einer Schulklasse, die fröhlich aus dem Rathaus schlendert. Und man denkt: Endlich.

Da hat also endlich mal jemand Mitleid mit uns, die wir bei dieser Hitze stöhnen, schwitzend in der Stube sitzen und, kaum vor der Tür, in den Schatten flüchten, mit sehnsüchtigen Gedanken an ein wenig Kühle. Wir haben uns diesen Sommer zwar ständig gewünscht und wochenlang das Graupelwetter verflucht. Aber wenn es warm wird, dann haben wir es eben am liebsten wieder ein bisschen kühler.

Dazu passt auch die Meldung, die Erdings Stadtverwaltung wie in jedem Jahr zu dieser Zeit verschickt hat, sie traf am Dienstag ein: Wir suchen einen Christbaum für den Schrannenplatz, heißt es darin. Eine Fichte oder Tanne soll es sein, gerade gewachsen, zwölf bis 15 Meter hoch. Wer eine hat, soll sich melden. Draußen ist es 32 Grad warm, die Blumen blühen. Und in der Stadtverwaltung wünschen sie sich das Weihnachtsfest herbei: Schnee und Eis und Besinnlichkeit. Zugegeben, das klingt jetzt alles ein wenig irrsinnig. Ist es aber gar nicht.

Denn der Aufruf der Erdinger Stadtverwaltung ist hochvernünftig. Der Sommer ist ja die Zeit, in der die Tannen und Fichten wachsen und gedeihen, getrimmt und in Form gebracht werden. Mit anderen Worten: Wer nicht jetzt schon an Weihnachten denkt, der ist viel zu spät dran. Das heißt wiederum auch für uns, dass wir uns der kühlen Gedanken an heißen Tagen nicht schämen brauchen. Und Mitleid benötigen wir auch nicht, was in diesem Fall ganz gut ist - bekommen wir nämlich gar nicht. Mitleid habe er, ruft der Junge auf dem Schrannenplatz, "mit dem Xherdan Shaqiri. Der wird ja jetzt schon wieder verkauft!" Shaqiri, zur Erinnerung, ist ein Fußballer aus der Schweiz, der früher mal beim FC Bayern gespielt hat, zuletzt auch bei Inter Mailand in Italien nicht glücklich wurde und nun wohl erneut den Arbeitgeber wechseln muss.

Mitleid - den weihnachtlichen Altruismus des Erdinger Buben in allen Ehren - ist in diesem Fall aber nun wirklich ziemlicher Irrsinn.

© SZ vom 08.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: